GESCHICHTE UND GESCHICHTEN
AUS DEM 18. JAHRHUNDERT

Auf der Suche nach der Nordwestpassage
und eine Beschreibung der Gegend des heutigen Kanada

Die Nordwestpassage ist eine Wasserverbindung zwischen dem Atlantik und dem Pazifischen Ozean und zwar nördlich von Kanada. Jahrhundertelang ist man an dieser Suche gescheitert - erst am Anfang des 20. Jahrhunderts wurde sie von Roald Amundsen zum ersten Mal durchquert. Hundert Jahre später ist sie wegen der globalen Erwärmung jährlich immer länger befahrbar. Es gibt allerdings Dispute, ob die Seeroute internationales Gewässer sei (wie die USA behauptet), oder ob es Hoheitsgewässer von Kanada sind (wie Kanada meint).

Nachstehend finden wir Auszüge einer Beschreibung aus dem Jahr 1749 - und zwar von dem großbritannischen Korrespondenten der Wiener Zeitung. Diese brachte den Artikel als Anhang zu den Ausgaben vom 24. beziehungsweise 28. Mai dieses Jahres.
DIe Nation (=also Großbritannien) hat die Hofnung noch nicht gar aufgegeben, durch Hudsons-Bay einen Weg in den Chinesischen und Japanischen Ocean, und folglich nach Ost-Indien zu finden. Man hat zwar denselben bereits zu verschiedenenmalen, wiewol vergebens, gesucht; indessen haben doch die letzten Schiffe, als die Dobbs Galley und California, so im Jahre 1746. und 1747. diese Entdeckung bewürken sollen, solche Nachrichten mit zuruk gebracht, welche den grösten Grad der Wahrscheinlichkeit zu einem glücklichen Ausgange übrig lassen.
Wir wollen von dieser Reise eine historische Erzehlung unseren Lesern in einigen Blättern vorlegen ... Sie ist aus dem Tag-Buch des Herrn Ellis, welcher sich als Agent bey der letzten Reise befunden hat.
Der Nation ware 1746 an diesem Project gar zu viel gelegen, ... Das Parlament setzte einen Preiß von 20000. Pf. Sterling auf die Entdeckung. Man schluge eine Subscription von 10000. Pf. Sterling zur Ausrüstung neuer Schiffe vor. ... Die Capitaine, William Moor und Franz Smith, hatten das Kommando über diese Schiffe. Herr Ellis reisete mit, um alles merkwürdige aufzuzeichnen, und eine vollkommene Reise-Beschreibung zu verfertigen. ... Die Schiffe giengen den 13. May 1746 unter Segel. ... Sie traffen in Hudsons-Bay die Eis-schollen an, welche diese Gegend so gefährlich machen, und wovon Herr Ellis nach dem Herrn Egede glaubet, daß sie von denen Eis-Bergen herrühren, welche an denen mitternächtlichen Meeren ligen. Ungeheure Stücke reissen sich von denenselben los, fallen ins Meer, und werden darin von denen Winden herumgetrieben. Man ließ sich in eine kleine Handlung mit denen Esquimaux ein, ein Volk, welches denen Grönländern des Herrn Egede ziemlich ähnlich ist, denen man aber mehrere Bosheiten zuschreibet. Diesen wilden Völkern mangelt es nicht am Fleiß, sowol in Ansehung der Fischerey, und der Bezwingung der Wallfischen, als auch in Ansehung ihrer Kleidung. Sie haben sogar ein vortrefliches Mittel erfunden, denen üblen Würkungen vorzukommen, die der glänzende Schnee, davon in diesen Gegenden ein Uberfluß ist, auf die Augen haben könte. Es seynd kleine Stücke Holz, die accurat auf die Augen passen, die sie hinten am Kopfe fest binden, und die durch zwey lange und sehr enge Spalten geöfnet seynd, welche das Licht mäßigen. Die Engländischen Schiffe hatten ziemliche Mühe, zwischen denen Eis-schollen durchzukommen; und man hat alda Schiffe durch zwey grosse Eis-Stücke zerschmettern gesehen, die durch die Winde wider einander getrieben worden. Weil es schon ziemlich weit in der Jahr-Zeit ware, so konnten sie nicht weiter kommen, und sahen sich genöhtiget, einen Hafen zu suchen, den Winter über darin zu bleiben. ... Sie lieffen in den Fluß de Hayes ein, welchen die Franzosen den Fluß von Buorbon nennen. ... das Schif kame wieder frey und in einen Arm des Flusses. Hier stiegen sie aus, und machten sich Hütten in einem Tannen-Walde für den Winter, der mit dem Monat November wieder kam. ... Das Lande ist nicht sonderlich bewohnet. Es seynd alda Caninchen und Rebhüner im Uberfluß und die Einwohner seynd sehr stille. ... Die Erde bringt schöne Bäume hervor, Maulbeer-Bäume von verschiedenen Arten, Erdbeer, Angelica, und andere Pflanzen. ... Es gibt hier schöne Wiesen. Die Gärten deren Colonien seynd mit Köhl, Erbsen, Bohnen, Rettig, und Salat angefüllet. Man findet auch Moscovitischen Talc, Kupfer, Eisen, und Marmor. Der schärfeste Winter in Europa kommet demienigen nicht gleich, welche diese Schiffe unter dem 57sten Grad ausstunden, welches 3. Grad gegen Süden von Stockholm ist. Ein feiner Schnee, wie Sand, fiele denen Augen beschwerlich, machte die Reisende irrig, und verhinderte die Mannschaft auszugehen. Die Luft ist fast niemals klar in diesen Gegenden, welches allem Ansehen nach die Sonne schwächet, und zur Vermehrung der Kälte vieles beytraget. Im Frühling und Herbst ist es fast beständig neblicht, und im Winter die Atmosphäre mit kleinen Eistheilgen verdicket. Kreise um die Sonne und Neben-Sonnen seynd hier sehr häuffig, welches auch kein Wunder ist, weil sich alhier die Materien, welche die Sonnenstrahlen am besten reflectieren können, im Uberfluß finden. Die Nord-Lichter seynd hier weit heller und häuffiger. Sie seynd sogar heller als der volle Mond. Die Atmosphär hat alhier die Würkung eines Rauchs. Die Sterne erscheinen durch dieselbe rot und flammend, als ein Feuer, das man in einiger Entfernung siehet. Hier konte man mit Bequemlichkeit die Art bemerken, wie der Schnee entstehet. Man durfte nur ein Fenster offen lassen. Die äusserliche Kälte drange mit Gewalt darauf zu, und die Dünste in der Hütten verdikten sich, und machten Schnee. Aquavit und so gar Spiritus vini gefrore, wiewol dieser Spiritus nicht eigentlich zu Eis, sondern nur wie halb gefrornes Oel dik wird.
(Mit Spiritus vini ist vermutlich Weingeist gemeint, also hochprozentiger Alkohol. Reiner Alkohol gefriert erst bei 114 Grad Kälte, jedes Gemisch entsprechend früher. Daher war der Spiritus vini auch nicht ganz gefroren.) Alle andere flüssige Dinge werden zu Eis, und zersprengen ihre Gefässe, wann sie auch von dem stärkesten Metalle seynd. Die Haare der Thiere werden im Winter weiß, wiewol nur das äusserste Ende dererselben sich verändert, und die Wurzel, welche nicht so viele Kälte leidet, ihre natürliche Farbe behält. (Man, oder wenigstens Herr Ellis, wusste damals vermutlich noch nichts von den Schutzfarben der Tiere. Das Weiß dient ihnen nicht gegen die Kälte, sondern macht sie gegen den Schnee fast unsichtbar.) Die Matrosen kamen gar oft mit erfrornen Gesichtern und Händen nach Hause. Die erfrorne Theile waren weiß und hart wie Eis. Das beste Mittel darwider ware, sie mit einem Biber-Handschuh zu reiben, davon dann die verletzte Theile aufdaueten, und nichts als eine grosse Blase übrig bliebe. Es ist ein Unglük, daß des Herrn Ellis Thermometrum zerbrochen, ... Dem Bier, welches der Kälte ausgesetzet ward, widerfuhren die Veränderungen, welche der Herr Stahl mit vieler Geschicklichkeit bey der Bereitung des Salzes angebracht. Der geistige Theil desselben vereinigte sich in den mittelsten Theile der Tonne, und behielt alda alle Kraft, welche vor dem Froste in dem ganzen Bier ausgebreitet ware. Das übrige ware nichts, als ein ungeschmaktes Wasser ohne Kraft.

... Das Thau-Wetter fienge den 18. April an. Die Vögel kamen wieder, und den 9. Jun. lieffen die Schiffe den Fluß hinab. Das Thau-Wetter wird in diesem Lande mit einer starken Uberschwemmung begleitet, welche von dem häuffigen Schnee herrühret. ... Die Schiffe folgten der Westlichen Küste von Hudsons-Bay. Sie sahen alda viele Wall-Fische und Esquimaux, welche letztere ihnen das, was sie von denen erstern gefangen, verkauften. Sie waren aber gar sehr über ein ausserordentliches Phänomenon verwundert, welches ihnen gegen den 36. Grad sehr beschwerlich fiele. (Das muss ein Druckfehler sein. Gemeint ist vermutlich der 63. Grad.) Alle ihre Compasse verloren ihre Magnetische Kraft. Beydes, das natürliche und künstliche vergassen ihre Schuldigkeit, und schienen eine Tradition (=Überlieferung) zu bekräftigen, welche nicht weit vom würklichen Nordpol einen magnetischen Pol setzet. ... Hier macht Herr Ellis eine neue Beschreibung von der Lebens-Art derer Esquimaux, die gleichfalls mit derer Grönländern ihrer übereinkommet. Sie trinken den Thran vom Wallfisch, wie ein Franzose seinen Champagner-Wein. Sie jagen die Fliegen, die im ganzen Norden sehr beschwerlich sind, mit einer rauhen Mütze von einem Büffels-Felle weg, daran der Schwanz noch sitzet, der ihnen übers Gesicht hanget, und vom Winde als ein Perpendicul hin und her beweget wird. Die Eifersucht ist aus diesen Gegenden verbannet. Ihre Weiber seynd gar zu heßlich, als daß ihnen der Besitz dererselben solte beneidet werden. Sie bieten sie denen Fremden eben so, wie die Isländer und Lappen, an. Gegen den 64. Grad fienge man an, Eis anzutreffen. Das Land verlore immer mehr von seiner Fruchtbarkeit. Es ware blosses Torfmoor, worauf Blumen wuchsen, die der Herr Ellis mit der Cochlearia vergleichet. (Cochlearia heißt auf Deutsch Löffelkraut. Es gedeiht im salzhaltigen Marschland und ist gegen Skorbut wirksam. Es wurde früher aber auch als kresseartiges Küchenkraut verwendet.) ... Höher hinauf gegen den 65. Grad und 33. Minuten suchte man die Wagers-Meer-Enge, oder das vermeinte Fretum (bedeutet eben Meerenge auf Latein) des Herrn Dobbs. Man fande alda einen Hafen, welcher Douglas-Hafen genannt ward. Hier liessen sie die Schiffe, und die Schaloupen begaben sich in die Meer-Enge. Es schiene auch in der That eine zu seyn. Das Wasser bliebe 155. Meilen lang salz, und die Fluten waren sehr hoch, und zwar von 14. ein halben Fuß. Ein reissender Wasser-Fall beunruhigte die Reisende ein wenig; allein mittelst der Flut kamen sie gar leicht hinüber. Die Ufer dieser Meer-Enge waren unbewohnet. Die Bäume waren schon beym 61. Grad verschwunden. Die Berge, womit das Ufer besetzet ware, waren ganz kahl. Ungeheure Stücke Felsen rissen sich von allen Seiten von denenselben herab und die ganze Natur schiene alda mit einem förchterlichen Untergang zu drohen. Allein die Betrübnuß deren Reisenden ware nicht zu beschreiben, als sie sich den 3. Aug. mit Land umgeben sahen, und vollkommen überzeuget wurden, daß die vermeintliche Enge nichts anders, als ein Busen wäre, worin 2. Flüsse hineinlieffen, deren einer aus einer grossen stehenden See entstande, die man nicht weit davon entdeckte. Es fanden sich auch Einwohner, oder wenigstens herumschweiffende Völker, in diesen förchterlichen Gegenden, die sich auch einiger massen in Handlung mit denen Engländern einliessen. Der Herr Ellis und der Chirurgus Thomson konten indessen die Hofnung einer Meer-Enge noch nicht verloren geben. ... Allein die Capitaine und der Raht glaubten genug gethan zu haben und beschlossen den 14. August. wieder nacher England zuruk zu gehen.


Copyright Bernhard Kauntz, Wolvertem 2010


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