GESCHICHTE UND GESCHICHTEN
AUS DEM 18. JAHRHUNDERT

Ein Tag der Kaiserin Maria Theresia

Es ist immer wieder faszinierend, am Internet ein wenig zu forschen. Lehrreich auch ...
Ich beginne meistens damit, in einer alten Zeitung zu lesen, was denn damals geschehen ist. Natürlich steht dort auch jeder Schritt des Kaiserpaares (und sonstiger Wohlgeborenen). Was zuerst auffällt, ist, dass Franz I und Maria Theresia nahezu täglich mindestens einem Gottesdienst beiwohnten, oft jedoch auch zwei.
Nun schlug ich - auf gut Glück - die Wiener Zeitung vom 6. August 1749 auf. Diese erschien damals zweimal wöchentlich und referierte immer das kaiserliche Geschehen der letzten Tage. So war Kaiser Franz am Montag, dem 4., nach Mannersdorf gefahren, um dort an einer Jagd teilzunehmen.
Unterdessen haben Sich Ihro Kaiserliche Königliche Majestät, unsere Allergnädigste Frau, gewürdiget, Höchst-Dero Theresianisches Collegium Nobilium alhier mit Gnaden-voller Gegenwart zu erfreuen.
Heute, in unserer knapp gewordenen Zeit, hätte man das wohl weniger elegant ausgedrückt ... Aber geben Sie doch zu, dass Sie viel lieber zum Finanzamt gingen, wenn sie es mit gnadenvoller Gegenwart erfreuen könnten, statt mit den Beamten um Papierkram streiten zu müssen. Aber klar, nicht jeder kann Kaiser sein.
Doch zurück zur Zeitung: das "Theresianische Collegium Nobilium" muss doch das heutige Theresianum sein, das in Wien in der Favoritenstraße steht? Ganz richtig, es wurde 1746, also drei Jahre vorher, von Maria Theresia gestiftet. Es ist, nebenbei bemerkt, auch heute noch eine Schule mit dazugehörigem Internat.
Es haben Ihro Majestät erstens zweyen heiligen Messen andächtigst beygewohnet, deren die erste in der Kirchen, die zweyte in der Kammer-Kappellen gelesen wurde, welche, als der Ort, alwo der Große Kaiser Carl der VI Hoch-seligster Gedächtnuß dieses Leben heilig beschlossen, auf das neue ist ausgezieret und erweiteret worden.
Sodann geruhte Ihro Majestät das Gebäude zu besichtigen, zum Beispiel die neu eingerichtete Garellische Bibliothek. Aha ..., schon wieder etwas zum Nachschlagen. Die Bibliothek wurde nach Pius Nikolaus Garelli benannt, der bei Karl VI Leibarzt war und ab 1723 Präfekt der Hofbibliothek. Er testamentierte dieser schließlich auch fast 2000 Werke aus seiner eigenen, wertvollen Büchersammlung. Ursprünglich wurde die Garellische Bibliothek am Josefsplatz, also in der Hofburg angelegt, nun aber ins Theresianum verlegt. Das gehört natürlich auch weiter verfolgt - und ganz richtig: in einer Schrift, betitelt: "Die Merkwürdigkeiten der K. K. Garellischen Öffentl. Bibliothek am Theresiano" von Michael Denis steht zu lesen:
Den 31. Jul. 1748 berichtete der damalige Protector des Theresianums, itzt hochsel. Fürst von Khevenhüller ... den Willen ihrer Majestät, daß diese Bibliothek ... für beständig dem Theresianum übergeben werden sollte.
Aus dieser Schrift geht auch hervor, dass der Sohn des Pius Nikolaus, Johann Baptist Hannibal Garelli, beschloss, auch den Rest der privaten Bibliothek dem österreichischen Volk zu vermachen, zusammen mit 10.000 Gulden, von deren jährlichem Ertrag sie immerfort erhalten und vermehret werden sollte. Aus diesem Grund wurde sie auch Garellische öffentliche Bibliothek benannt.
Es ist schon interessant, lieber Leser, was man da alles erfahren kann, nicht wahr? Aber zurück zur Kaiserin und ihrem Alltag, am Montag, dem 4. August 1749.
Außer der Bibliothek besuchte die Monarchin im Theresianum auch das unlängst angelegte Museum Physico-Mathematicum mit Ansehung einiger Experimenten, sowie den Speisesaal, die Tanz- und Fechtschulen, wie auch die gemeinschaftliche Wohnungen deren Herren Cavaliers.
Hernach tratten verschiedene Herren Cavaliers hervor, so ihre Geschiklichkeit mit Tanzen, Fechten, Voltisiren, Fahnen-schwingen, darzuthun, die hohe Ehre genossen. Endlich seynd einige, die eben das Glük traffe, dass dieser Freuden-volle Tag mit dem Tag ihres Examinis ordinarii ex Historia, & interpretatione Autoris Latini eintraffe, mit der höchsten Gnad erfreuet worden, von Ihro Majestät selbsten in ihrer Wissenschaft geprüfet zu werden.
Ich kann mir vorstellen, dass die Herren Cavaliers ziemlich nervös waren, als sie von der Kaiserin geprüft wurden. Wohl war diese Schule dem Adel vorbehalten, aber immerhin musste man sich auch Auge in Auge mit der Regentin der Antworten entsinnen.
Dieser Tätigkeit gab sich die Kaiserin über drei Stunden lang hin, bevor sie sich auf den Heimweg nach Schönbrunn begab, was damals sicher auch noch etliche Zeit in Anspruch nahm.
Hinzuzufügen wäre noch, dass die Garellische Bibliothek werktags von 3 bis 6 Uhr nachmittags, im Winter von 2 bis 5 Uhr öffentlich zugänglich war.


Copyright Bernhard Kauntz, Wolvertem 2010



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8.11.2010 by webmaster@werbeka.com