Wir Höhlenmenschen der westlichen Welt

Wie bitte? In unserer westlichen Welt gibt es doch keine Menschen, die in Höhlen leben ...
Oder? Lassen Sie mich ein Beispiel geben: dazu muss ich aber ein paar tausend Jahre in der Zeit zurückgehen. Nein, nein, bitte weiterlesen. Keine Sorge, mein Beispiel ist trotzdem äußerst aktuell.
Sicher kennen Sie Platon, den griechischen Philosophen. Möglicherweise haben sie auch von seinem Höhlengleichnis gehört. Lassen Sie mich aber Ihre Erinnerung zunächst ein wenig auffrischen.

Stellen Sie sich vor, dass Menschen in einer dunklen Höhle sitzen (müssen), und die Welt nur durch das Spiel von Schatten betrachten können. Diese werden durch den zu hoch sitzenden Eingang vom Licht der Außenwelt auf eine Wand der Höhle projiziert. Daher ist dieses Schattenspiel alles, was die Höhlenbewohner von der Außenwelt sehen können. Natürlich wird diese Projektion ihre Auffassung der Wirklichkeit werden und damit "wahr" sein. Das gesamte Weltbild ihrer Wissenschaften und religiösen Vorstellungen wäre von dem Schattenspiel geprägt.

Nun, mein lieber Leser, Sie selbst und wir alle in der westlichen Welt sitzen in unserer Höhle und sehen nur, was uns unsere Medien mitzuteilen belieben. Und was in der Zeitung steht, oder im Fernsehen zu sehen ist, das ist doch "wahr", das muss doch wahr sein?
Eigene Gedanken zu fassen ist leider keine Stärke der Menschlichkeit, vielleicht vor allen Dingen, weil es den Machthabern genehmer ist, in uns keine unliebsamen Gedanken zu wecken. Schon die alten Römer wussten, dass Brot und Spiele genügten, um die Bevölkerung im Zaum zu halten.

Aber denken wir doch einmal an die "andere" Wirklichkeit. Nämlich an die, in der die dort lebenden Menschen sehen, dass die Westwelt Bomben wirft, die Umwelt vergiftet und das Land ausbeutet. Begreifen Sie, dass man dort den Westen nicht als Glücksbringer sieht, sondern als Teufel dieser Welt? Können Sie begreifen, dass die Einwohner dort früher oder später selbst zu Waffen greifen (oder zu Steinen, weil sie nichts anderes haben), um sich dadurch am Westen zu revanchieren?
Verstehen Sie, dass es die Westwelt selbst ist, die diesen Hass hervorgebracht hat? Nehmen Sie doch nur an, Ihr Kind würde bei einem Attentat getötet. Würden Sie keinen unlöschbaren Hass auf die Attentäter fühlen? Wir aber töten tagtäglich die Kinder "Andersgläubiger", schon seit der Zeit der Kreuzfahrer bis zum heutigen Tag. Wie soll der Hass in unserer Welt jemals geringer werden können?

Ich habe keine Lösung für dieses Problem, dazu ist das gegenseitige Misstrauen viel zu stark. Aber vielleicht wäre wenigstens ein Verständnis der anderen Seite ein erster Schritt ...


Copyright Bernhard Kauntz, Västerås, 2015


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