MANN UND FRAU

ZWANZIG


Walter lag auf seinem Bett. Er hatte sich ausgezogen und sich nur mit seiner Pyjamahose bekleidet auf das Bett geworfen. Die Knie hatte er hoch angewinkelt und verwendete die Schenkel als Unterlage. Er las einen Kriminalroman, eines dieser billigen Hefte, die man an jedem Kiosk erstehen kann.
In der rechten Hand hielt er eine Zigarette, mit der linken zupfte er gedankenverloren an dem spärlichen Haarwuchs, der auf seiner Brust zu sprießen begonnen hatte.
Auf dem Stuhl neben der Verbindungstür, die zum Zimmer seiner Mutter führte, lag zerknüllt seine Jeanshose, harmonisch zwischen einem verdrehten Rollkragenpulli und einer Unterhose, die eine Biene mit langem Stachel zierte. Die Socken waren in die Schuhe gestopft worden, die seitenverkehrt nebeneinander den Weg zur Tür blockierten.
Er dachte an den Vortrag von dem er eben zurückgekommen war. Es hatte ihn kaum interessiert, was man da über diverse Probleme gesagt hatte. Sein größtes Problem war gewesen, die Aufmerksamkeit des Mädchens, das in der zweiten Sitzreihe bei seinen Eltern gesessen war, zu erregen, ohne daß alle anderen es ebenfalls bemerkten. Er grinste bei dem Gedanken, wie sie sich demonstrativ weggedreht hatte, als sie sein Zwinkern bemerkte. Gott, vielleicht war das ja noch eine Jungfrau.
Walter fühlte sich schon als erfahrener Mann. Vor ein paar Jahren, er war gerade siebzehn geworden, hatte er seine Theorien über den Sex zum ersten Mal praktisch angewandt. Das war in der Firma gewesen, in der er gelernt hatte. Erika, zwei Jahre älter als er, hatte damals schon ausgelernt. Sie hatte das Vertrauen des Chefs - und damit auch die Schlüssel zum Geschäft.
Er war eines Tages von einem Botengang kurz nach Geschäftsschluß zurückgekommen, alle waren schon weg, außer Erika, die noch ein paar Büroarbeiten erledigte. Sie hatte ihn erst zu einem Glas Coca-Cola eingeladen und ihn dann im Personalzimmer regelrecht verführt.
Heute, als wissender Casanova, dachte er ungern an dieses Erlebnis zurück. Du liebe Zeit, hatte er sich vielleicht tollpatschig angestellt. Aber da wußte er ja noch nichts von Frauen. Seither hatte er sich oft gefragt, ob Erika, oder besser gesagt, Fräulein Erika, sie war ja schon mit der Lehre fertig, damals etwas davon gehabt hatte. Jedenfalls hatte sie ihm fest auf die Finger geklopft, als er bei der nächsten Gelegenheit einen eigenmächtigen Vorstoß wagte. Und danach war alles beim status quo geblieben, keiner hatte das Vorgefallene erwähnt, und sie war - Fräulein Erika, wie zuvor.
Jedenfalls hatte er, Walter, an diesem Abend einen Riesenschritt ins Leben getan, und später hatte er sich oft gewundert, daß er nicht schon früher eingesehen hatte, wie leicht die Mädchen in der Berufsschule es einem machten. Nicht alle, natürlich. Bei Susi hatte er sich vergeblich angestrengt, trotz Einladungen ins Cafe nach der Schule und zum Tanzen in Charly's-Club. Aber dafür war sie ja auch Klassenerste gewesen.
Veronika dagegen, Mensch, das waren Zeiten. Unten am Fluß, fast schon im Winter. Gefroren hatten sie, blau vor Kälte mit den Zähnen geklappert. Aber ihre Erregung, ihr Schreien am Höhepunkt - kurze, schnelle Rufe, Mann, oh Mann!
Bis dann Jürgen, das Aas, sie ihm ausgespannt hatte. Karin dagegen war dann wieder ganz anders gewesen, zärtlich, aber träge, langsam. Naja. In letzter Zeit war eine lange Pause eingetreten. Walter seufzte. Aber nun, diese Blonde von heute.....
Walter hatte den Kriminalroman zur Seite gelegt und das Licht ausgelöscht. Aber er konnte noch lange nicht einschlafen.

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