MANN UND FRAU

VIERZIG


Ich bin nun schon über das Alter hinaus, in dem man große Anstrengungen unternimmt, um eine spannende Nacht zu erleben - meistens wird es dann nämlich doch gar nicht so spannend. Ich möchte nicht sagen, daß ich ein Kostverächter bin; sollte ich einmal über ein Abenteuer stolpern, würde ich wahrscheinlich auch heute nicht versuchen, mich mit aller Kraft herauszuhalten.
Ich bin jetzt schon gut vierzehn Jahre lang verheiratet und meine Ehe ist kaum schlechter als andere, nur hat die Monotonie dieser vierzehn Jahre die Kurven geradegebogen, sodaß man nicht mehr voller Neugierde um die nächste Ecke schauen kann.
Als ich vorigen Mittwoch auf dem Weg nach Hause war, ging ich noch schnell in den Laden um eine Schachtel Zigaretten mitzunehmen. Da stand sie da. Sie stand an der Kasse und bezahlte. Das Sonnenlicht, das durch die Auslagenscheibe floß, umrahmte ihr Haar, sodaß es einen goldenen Glanz bekam. Das war vielleicht das erste, was mir auffiel. Unbewußt ließ ich den Blick über ihre grazile Figur gleiten, sah ihre wohlgeformten Beine unter dem gelben Sommerkleid ohne Strümpfe in einem Paar Sandalen verschwinden.
Zwischen uns stand noch ein Kunde. Dennoch fiel mir die Wärme auf, die in dem Blick lag, den sie mir schenkte als ich wieder hochsah. Sie war schon bereit aus dem Laden hinauszugehen. Die Spur eines Lächelns stand um ihre Lippen als sie sich nochmals umdrehte, während hinter ihr die Ladentür zufiel.
Der nächste Kunde brauchte Ewigkeiten an der Kasse und als ich endlich meine Zigaretten bezahlen konnte, vergaß ich das Wechselgeld in der Rückgabeschale. Sie war schon ein gutes Stück die Straße hinaufgegangen, als ich aus dem Laden trat. Ich beeilte mich, ihr nachzukommen.
Ich fragte sie, ob ich ihr helfen dürfe, die Tasche zu tragen. Mit einem neuerlichen reizenden Lächeln überließ sie sie mir. Ich war bezaubert und über meine Reaktion gelinde gesagt überrascht. Wir gingen schweigend nebeneinander. Als wir vor unserer Villa standen und ich mit der freien Hand nach den Schlüsseln kramte, zögerte sie.
"Einen Augenblick", sagte sie mit ihrer weichen Stimme, "ich hole noch etwas."
Und ehe ich antworten konnte, war sie schon wieder weg, die Straße hinunter.
Ich ging ins Haus, stellte ihre Tasche in der Diele ab, und ging ins Wohnzimmer, wo noch Spuren meines Frühstücks auf dem Tisch standen. Mit einigen Griffen räumte ich das Geschirr weg, stellte zwei Kerzen auf den Tisch und legte ein paar Stimmungsplatten bereit. Meine beiden Jungen waren bei der Großmutter - wir würden also allein sein.
Einige Minuten später war sie zurück.
"Ich koche ein gutes Abendessen", erklärte sie verführerisch und verschwand in der Küche. Ihre Bewegungen waren so natürlich und anmutig, wie ich es nur selten gesehen hatte.
Ich stellte eine Flasche Wein in den Eiskübel und sah ihr zu, wie sie mit gewandten Fingern die Küchengeräte meisterte.
Bei Tisch sprachen wir nicht viel. Teils war das Essen so köstlich, teils machte die romantische Musik ein Gespräch überflüssig.
Nach dem Kaffee stand ich auf, nahm sie in die Arme und tanzte mit ihr langsam zwischen Bücherschrank und Schreibtisch dahin. Viel Tanzfläche war das nicht, aber mehr wäre auch unnötig gewesen. Es war lange her, seit es mir das letzte Mal bewußt geworden war, wieviel man in einem Tanz ausdrücken kann.
Sie schmiegte sich eng an mich, ihre Bewegungen waren geschmeidig und ihre schönen Augen strahlten mich an vor Glück. Beim letzten Lied der Platte tanzten wir bis ins Schlafzimmer hinein.
Als wir am nächsten Morgen nebeneinander erwachten, lächelte meine Frau mir zu und flüsterte:
"Du, gestern abend war es wunderschön."

Copyright Bernhard Kauntz, Västerås, Schweden


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