Die verpönte Grammatik  
könnte viel einfacher sein.

Wer von uns hat in der Schule nicht gestöhnt, wenn wir wieder eine neue Regel der Grammatik lernen mussten? Und das nicht allein in unserer Muttersprache, sondern in jeder einzelnen toten oder lebenden Fremdsprache, die wir außerdem am Lehrplan hatten.
Dabei ginge es viel einfacher. Man könnte damit beginnen, eine allgemeingültige, universale Grammatik zu lehren und dann in den einzelnen Sprachen nur auf spezielle Einzelheiten der jeweiligen Sprache aufmerksam machen. Ein großer Vorteil davon wäre, dass der Schüler begreift, dass zumindest alle europäischen Sprachen an sich denselben Aufbau haben, ganz egal ob wir sie nun Deutsch oder Französisch oder Ungarisch nennen. Außerdem bin ich überzeugt davon, dass wir noch viel mehr Sprachen unter denselben Hut bringen könnten - doch hier fehlt mir die persönliche Kenntnis davon.
Schon in den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts hat der amerikanische Sprachwissenschaftler Noam Chomsky die sogenannte "generative Grammatik" vorgestellt, was auch an manchen Universitäten kurz erwähnt wurde. Dann aber gewannen die Traditionalisten die Oberhand (wie es meistens der Fall ist) und Chomsky, sowie ein paar Nachfolger, gerieten wieder in Vergessenheit.

Ein paar Beispiele?
Generell gilt, dass ein Verb auch ausdrücken muss, wer diese Tätigkeit durchführt. Das Englische macht dies mit Fürwörtern, z.B. "I eat" zum Unterschied von "they eat". Das muss so sein, denn aus "eat" allein, könnten wir ja nicht wissen, um welche Person es sich handelt. Im Spanischen dagegen, wo sämtliche Personenformen eine eigenen Endung haben, kann man sehr wohl entscheiden dass "como "ich esse" bedeutet, während "comen" "sie essen" heißt. Daher kann es das Spanische sich leisten, die Personalpronomen wegfallen zu lassen. "Como carne" - "ich esse Fleisch" genügt vollauf, um den Täter kennzeichnen zu können.
Sehen wir uns jetzt den bestimmten Artikel an. Bei uns heißt er "der, die, bzw. das". Im Schwedischen gibt es nur zwei, "der" und "die" werden zusammengefasst. Aber das nur nebenbei. Das interessante ist, dass die Schweden den bestimmten Artikel hinten anhängen, statt ihn vor das Hauptwort zu setzen. (Der unbestimmte Artikel ist übrigens kein Artikel, sondern ein Zahlwort.)
Also "die Lampe" wird im Schwedischen zu "lampan. "Das Haus" wird zu "huset und "der Sohn" wird zu "sonen". Das kann seltsam wirken, ist es aber nicht, wenn man weiß, dass in vielen Sprachen die meisten Substantive generell mit einem Artikel oder Zahlwort verwendet werden. Abstrakte Substantive dagegen (wenn man kein Zahlwort mitverwenden kann, z.B. "Gerechtigkeit") haben keinen Artikel.
Ein letztes Beispiel: Finnisch und Ungarisch sind ja dafür bekannt, dass sie ein Substantiv in bis zu 30 verschiednen Kasus deklinieren. Man schwitzt schon, bevor man mit der ersten Lektion beginnt, wenn man das alles einzeln lernen muss. Man muss aber nicht. Es ist ähnlich wie im Schwedischen. Was wir vor das Substantiv setzen, hängt man dort als Endung an. In Ungarn macht man das mit "unseren" Präpositionen. Also: "Haus" heißt "ház" auf Ungarisch. "Für das Haus" dagegen wird zu "házért" und für "bis zum Haus" verwendet man "házig.
Hier noch ein kleiner Zusatz: Auch das süddeutsche/österreichische hat noch Restformen dieser Endungen. "Hinauf" heißt im Dialekt "aufe" (oder "aufi"),  herauf dagegen "aufa".  Dasselbe gilt auch anderen Präpositionen, sei es "eine-eina", "ume-uma" (hin/herüber), "owe-owa" (hin/herunter) oder sonstige.

Es gibt also keinen Unterschied, außer in der Form des Ausdrucks. Aber die Grammatik ist dieselbe. Und wenn ich das verstehe, dann brauche ich im Ungarischen nicht 30 verschiedene Fälle zu lernen, sondern kann die Endungen als Präpositionen sehen, ebenso wie der Artikel im Schwedischen als Endung dient. Und schließlich bekomme ich vielleicht sogar Verständnis für all die vielen Verbendungen im Spanischen, wenn ich die Endung "-o" als "ich" sehen kann, "-en" dagegen als "sie" oder "-es" als "du".

Sicher kann man nicht jede Einzelheit in jeder Sprache generell erklären, aber eben den Großteil schon. Und es geht ja eigentlich nicht um die Ausnahmen, sondern um die Gemeinsamkeiten, die ein allgemeines Sprachenverständnis fördern können. Deshalb glaube ich, dass es viel einfacher wäre, zunächst eine (allgemeine) Grammatik zu lernen, die dann später für viele Sprachen verwendet werden kann, als dass man mehr oder weniger dieselben Regeln für jede Sprache einzeln büffeln muss.
Aber um das einführen zu können, müssten ja erst die Unterrichtsministerien einsehen, dass dies ein ganz großer Vorteil wäre. Es müssten sich dann auch die Lehrer fortbilden, um die allgemeine Grammatik erklären zu können. Und hier liegen zwei Hauptprobleme. Erstens müsste man die Faulheit überwinden, vom Althergebrachten abzuweichen und Neues zu lernen. Und zweitens sind diese Menschen, die Einfluss haben, zum Großteil Humanisten. Und den Humanisten liegt es näher, die Grammatik sprachlich und daher umständlich erklären zu wollen, statt sich simpler Formeln zu bedienen. Vielleicht wäre es einfacher, einen Naturwissenschaftler Grammatik lehren zu lassen - er hätte vermutlich weniger Probleme mit dem System.

Copyright Bernhard Kauntz, Västerås 2017



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