Die Kirche der Reichen Clarissen in Brüssel


Der Name der Kirche, "reiche Clarissen", geht auf ein Frauenkloster zurück, das in Brüssel ursprünglich schon im Jahr 1343 gebildet wurde. Aber 1578 wurde das Kloster abgerissen, weil man die Stadtmauer erweitern wollte. Die Schwestern siedelten sich dann hier an, auf einem Gebiet, das früher den Fraterherren gehört hatte. Die Fraterherren nennt man auch nach ihrem ursprünglichen (niederländischen) Namen: Brüder vom gemeinsamen Leben. Die Schwestern fanden dann im 17. Jhd., dass sie ihr Gelände erweitern und eine neue Kirche bauen lassen mussten, was nach den Plänen von Luc Fayd'herbe im Jahr 1665 auch geschah. Dieser Architekt aus Mechelen war übrigens ein Schüler von Rubens. Dreißig Jahre später fiel die Kirche zum Opfer des Bombardements, dem die Franzosen die Stadt aussetzten. Hundert Jahre später, nach der französischen Revolution, wurde das Kloster aufgehoben und zwei neue Straßen über das Gelände geführt - teils die Rijkeklarensstraat und teils die Sint-Kristoffelstraat. Die Kirche wurde dann vergrößert und wieder eröffnet. Während der Freiheitskämpfe von 1830 diente die Kirche als Lazarett.
Am 15. Juni 1989 wurde die Kirche durch einen schlimmen Brand verwüstet und wird seither wieder restauriert. Während der Restauration wurden auch Ausgrabungen durchgeführt, die die Reste des alten Klosters wieder zum Vorschein brachten. Ein nichtsahnender Besucher sieht heute keine Spur mehr von diesem Brand.

Der Hochaltar aus Marmor wurde im Jahr 1706 erbaut.

Über dem vergoldeten, hölzernen Tabernakel befindet sich ein Bild von der unbefleckten Empfängnis Marias aus dem Jahr 1659.

Auf dem rechten Seitenaltar steht ein Bild aus Eichenholz von St. Gorik, das aus der St. Gorikskirche stammt, die während der französischen Revolution zerstört wurde. Der heilige Gaugericus war im 7. Jhd. Bischof von Cambrai, an das allerdings auch Brüssel und sogar Antwerpen angegliedert waren. Er ist der Schutzheilige von Brüssel.

Der Chor der Kirche ist von einer Kuppel überdacht, die von einer eichenhölzernen Laterne gekrönt wird. In den vier Ecken des Kuppelaufbaus befinden sich die vier Erzengel - Michael, Gabriel, Raphael und Uriel.
Die Außenseite des Chores wurde dem Barockstil der umgebenden Wohnhäuser angepasst.

Weit neueren Datums sind die meisten anderen Sehenswürdigkeiten der Kirche, die es aber trotzdem wert sind, beachtet zu werden. Nicht zuletzt gilt das den Glasfenstern.

Auch die Kanzel und das Weihwasserbecken gehören erwähnt, wie auch die Statue von Petrus, mit Himmelsschlüssel und Hahn als Attributen ...
Mich interessierte aber nicht zuletzt der Name der Kirche, beziehungsweise des alten Klosters. "Reiche Clarissen" ist ja nicht unbedingt etwas, wohinter man einen Klosterorden vermutet.
Um die Geschichte des Ordens kennen zu lernen, muss ich Sie ins 13. Jhd. entführen. Dort treffen wir ein Mädchen namens Clara Sciffi. Ihr Vater war ein Edelmann aus Assisi. Im Jahr 1212, näher bestimmt am 18. März, hörte Clara eine Fastenpredigt von Franz von Assisi - und war begeistert. Sie brannte zu Hause durch und bat Franz, ihr doch zu helfen, ein Leben in Armut führen zu können. Daher ist der 18. März auch der Geburtstag des Clarissenordens.
Nach einiger Zeit in zwei Benediktinerklöstern ließ sich Clara in einer Kirche außerhalb Assisis nieder. Dorthin folgten ihr zunächst ihre jüngere Schwester, Katharina, sowie später auch die ältere Schwester und ihre Mutter, sowie mehrere Frauen aus der Umgebung. (Man fragt sich, ob Vater Sciffi vielleicht ein Familientyrann war?)
Claras Kloster in der Kirche von St. Damian gehörte zunächst den Franziskanern an. Die Schwestern wurden Damianiterinnen oder "Arme Damen" genannt, weil Franziskus ihnen ja ein Leben in Armut auferlegt hatte. Nun entstanden zu jener Zeit in Italien viele Klöster nach dem Vorbild Claras, was Franz von Assisi veranlasste zu protestieren. Er wollte nicht, dass all diese Klöster seinem Orden zugeteilt würden. Er verbot seinen Klosterbrüdern für die Schwestern Seelsorge zu betreiben. Papst Gregor IX modifizierte dieses Verbot durch eine Regelung, indem solche Franziskaner, die vom Papst die Genehmigung hatten, weiterhin Zutritt zu den Frauenklöstern haben sollten. Nach dem Tod von Franziskus lehnten die Franziskaner es jedoch ab, weiterhin für die Seelsorge der Schwestern verantwortlich zu sein. Trotzdem vermehrten sich die Klöster der Damianiterinnen rasch. Papst Innozenz IV versuchte ebenfalls durch eine Regelung, alle Franziskaner zum Seelsorgedienst zu verpflichten.
Diese lehnten jedoch noch immer ab. Da schrieb Clara eine eigene Regel nieder, in der sie auf das ursprüngliche Versprechen des Franziskus hinwies - dass sich in ihren Klöstern permanent Franziskaner befinden sollten, um die Seelsorge durchzuführen. Clara starb 1253 und hinterließ einen Orden mit 150 Konventen, wovon jedoch jedes einzelne einer der drei verschiedenen Regelungen folgte. Erst 1263 verfügte Papst Urban IV durch eine neue Regel, dass die beiden Orden demselben Ordensprotektor unterstehen sollten, sowie dass dieser darüber verfüge, wem die Seelsorge der Schwestern obliegen sollte. Dies musste doch nicht mehr ein Franziskaner sein. Die neue Regelung gestattete jedoch auch den Besitz von Gütern, ja es wurde sogar erlaubt, Dienerinnen zu haben. Und die Klöster, die sich an die Regel Urbans hielten wurden nunmehr "Urbanisten" bzw. "Reiche Clarissen" genannt.

Was Clara Sciffi wohl dazu gesagt hätte?

Copyright Bernhard Kauntz, Wolvertem 2009


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