Die Basilika von Saint-Hubert


Unsere Wirtin in Rochefort hatte uns empfohlen, ins nahe Saint-Hubert zu fahren und dort die Basilika zu besichtigen. Einen guten Rat soll man immer befolgen und wir bereuten es wirklich nicht.
Saint-Hubert liegt in der belgischen Provinz Luxemburg, (solche Dinge gibt es, denken Sie an Mazedonien und Griechenland ...) Die Gemeinde mit ihren gut 5000 Einwohnern liegt 90 km nordwestlich von der Stadt Luxemburg, 95 km südlich von Lüttich und 140 km südöstlich von Brüssel.
Man nennt sich stolz "europäische Hauptstadt der Jagd" - und es gibt zugegebenerweise sehr viel Wald in der Gegend. Nicht zuletzt ist auch der Sankt Hubertus der Patron der Jäger und damit auch der Jagd. Er liegt in der Basilika begraben. Ich komme später auf ihn zurück.
Zuerst ein wenig über die Kirche: Die Fassade war ursprünglich gotisch, wurde aber im 17. Jhd. erneuert und präsentiert sich seitdem im Renaissancestil.
Über dem Portal befindet sich das Wappenschild des Abtes der zugehörigen Abtei, sowie eine Inschrift, die gleichzeitig ein Chronogramm ist, das auf das Jahr 1700 hinweist. Der Text besagt: "Unter der Leitung von Prälat Clemens". Auch bei der Uhr befindet sich ein Chronogramm (1702) mit einem Spruch: "Der Tod ist sicher, aber der Tag ist unsicher und niemand kennt die Stunde."
Über der Uhr gibt es ein Relief mit einem kreuztragenden Hirschen und ganz oben gibt es eine moderne, vier Meter hohe Statue von Hubertus, aus dem Jahr 1986.
Die Nischen im zweiten Abschnitt der Seitenteile der Fassade sind heute leer. Dort standen früher die Statuen von den Aposteln Petrus und Paulus, die heute in einer Kapelle in der Kirche zu sehen sind. Die Kirche heißt nämlich Peter und Paul-Kathedrale, auch wenn Hubertus immer mehr Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt.

Und dann haben wir Glück, denn nach dem Betreten der Kirche treffen wir auf Marie-Francoise Rakotovao, die in der Kirche als Guide arbeitet, und die uns viele Dinge zeigt, an denen wir sonst unwissend und ohne sie zu sehen vorübergegangen wären.
So zeigt sie uns die beiden Säulenenden, die die Symbole von Papst (im Bild) beziehungsweise Kaiser tragen - es sind dies Clemens VII (1523 - 1534) und Karl V von Habsburg (1520 - 1556). Daraus können wir schließen, dass der Neubau nach dem Brand von 1525 ziemlich umgehend stattgefunden hat, nämlich als diese beiden ihre Ämter ausübten.

Aber die Kirche hat viel ältere Ahnen. Etwa um das Jahr 700 wurde hier ein Domherrenstift gegründet, das aber 817 vom Bischof in Lüttich den Benediktinern übergeben wurde. Damals hieß das Kloster Andage, nach dem kleinen Flüsschen, an dem es gelegen war. Am 30. September 825 wurde der Leichnam von Sankt Hubertus aus Lüttich hierher gebracht und der Platz wurde zum Wallfahrtsort.
Die ersten Wallfahrten begannen schon 837. Gleichzeitig damit geschah auch die Namensänderung zu ihrer heutigen Form.
Die Krypta, die heute einen Halbstock unter dem Niveau der Kirche liegt, ist die ursprüngliche, alte Kirche aus dem achten Jahrhundert. Allerdings sind die Gewölbe etwa 300 Jahre jünger und der Mosaikboden stammt aus dem 13. Jhd.
Man werde die Krypta aber bald absperren müssen, meint unser Guide, Marie-France, wie sie genannt werden will, und zeigt auf ein Loch im Mosaikboden. "Die Steine, die hier fehlen, haben Besucher als Andenken mitgenommen", erklärt sie, als sie unsere fragenden Minen sieht. Ich kann über so viel egoistische Dummheit nur den Kopf schütteln ...
Wie viele jahrhundertealte Steinchen gibt es denn hier? Zweitausend vielleicht. Und wenn jeder das machen würde, dann wäre das, was immerhin achthundert Jahre lang gehalten hat, in ein paar Monaten ganz weg.
Die Gebeine des Hl. Hubertus sollten eigentlich in der Krypta begraben sein. Aber im Laufe der Jahrhunderte musste man den Hubertus oft verstecken, weil Krieg drohte, oder Plünderer unterwegs waren. Und anfangs des 17. Jhd. versteckte man ihn so gut, dass man ihn nachher nicht wieder fand. Ein Teil meint, dass die Gebeine schon beim Hugenottensturm im Jahr 1568 verschwanden oder verbrannten und dass man dann ein halbes Jahrhundert später auch den Reliquiensarg wegbrachte, weil man ihn nicht mehr brauchte.
Statt dessen gibt es heute ein Grabmonument, das 1847 von Willem Geefs ausgeführt wurde und von König Leopold I geschenkt wurde.

Der Gegenstand der größten Verehrung ist heute die heilige Stola, die im rechten Seitenaltar, der dem St. Hubertus geweiht ist, aufbewahrt wird.

Sie befindet sich über dem Antependium und unter dem Altarbild in einem Schrein. Über dem Bild steht natürlich Hubertus selbst und ganz oben thront Christus.
Die Stola ist 4,2 mal 65 cm lang und besteht aus Gold- und Seidendrähten. Sie wurde verwendet um Leute von Tollwut zu heilen, wenn sie von rabieskranken Tieren gebissen wurden - oder von solchen, von welchen sie dies glaubten. Dazu wurde ein etwa zwei Zentimeter langer Schnitt in die Stirn gemacht und dann kam ein ganz kleines, höchstens millimetergroßes Stück der Stola in die Wunde. Dann wurde der Kopf mit einem schwarzen Tuch umwickelt und der Kranke musste diesen Verband neun Tage lang tragen. Außerdem bekamen die Leute während dieser Zeit etliche Auflagen. So musste man jeden Tag die Kommunion einnehmen und allein in weißen Laken schlafen. Man durfte sich nicht kämmen oder rasieren, musste auf gewisse Speisen verzichten, sich die Hände waschen und so weiter.
An großen Festtagen wurde auch geweihtes Brot gebacken, das dann aufbewahrt werden konnte und das auch gegen Tollwut half, aber auch gegen Ängste und Depressionen.
Was aber hat Tollwut mit dem St. Hubertus zu tun. Wer war dieser Mann eigentlich?
Er wurde um 660 geboren und um 700 zum Bischof von Tongeren-Maastricht ernannt. Er wurde St. Lambertus Nachfolger, als dieser ermordet wurde. Sein Bistum erstreckte sich von Luxemburg im Westen bis in die südlichen Niederlande, bzw. Givet und Chimay in der anderen Richtung. 710 wählte Hubertus Lüttich als seinen Hauptsitz. Er wird manchmal auch als Gründer von Lüttich genannt, wo er heute noch Stadtpatron ist. Hubertus starb 727 und schon 743 wurde er heilig gesprochen.
Natürlich bilden sich um die Heiligen mit der Zeit auch Legenden, so die folgende, die auch den Hirschen an der Fassade erklärt:
Hubertus war ein junger Prinz aus der Gegend von Aquitanien, der in vollen Zügen die Freuden des Lebens genoss, nicht zuletzt die Jagd. An einem Karfreitag sah er plötzlich auf seiner Pirsch einen prächtigen Hirschen, der seltsamerweise sein schönstes Geweih trug, obwohl es nach der Jahreszeit noch von Samt überzogen sein sollte. Bei einer wilden Verfolgungsjagd nahm der Hirsch Hubertus immer tiefer in den Wald mit, bis er auf einer Lichtung stehen blieb und sich umdrehte. Da sah Hubertus, dass er zwischen den Geweihenden ein leuchtendes Kreuz trug.
Gleichzeitig hörte er eine Stimme, die ihn ermahnte, von seinem maßlosen Leben zu lassen und statt dessen nach Maastricht zu gehen. Bischof Lambert würde ihm dann sagen, was er tun musste.
Hubert ging also nach Maastricht und tat Buße, wie ihm Lambert geraten hatte. Dann unternahm er eine Pilgerfahrt nach Rom. Sergius I war damals Papst, der in einem Traum sah, dass Bischof Lambert ermordet wurde und dass Hubertus unterwegs nach Rom war. Er sollte Letzteren als Nachfolger von Lambert einsetzen.
Hubert seinerseits erschien ein Engel, der ihm eine Stola brachte, die Jungfrau Maria gewebt hatte. Diese Szene ist auf dem Altarbild des Hubertusaltars wiedergegeben. Gleichzeitig bekam Hubertus die Gnade verliehen, Menschen heilen zu können, nicht zuletzt von der Tollwut.
Das erklärt wohl, warum Hubertus der Schutzpatron von Jägern, Jagdhornbläsern, Fleischhauern und auch Kupferschmieden ist - aber das Problem ist, dass diese Legende erst im 15. Jhd. auftauchte ...
Andererseits ist es natürlich so, dass wir uns hier in einer sehr waldreichen Gegend befinden, wo die Jagd einen hohen Stellenwert besitzt. In Belgien sind 87 Kirchen dem St. Hubertus geweiht, wovon ganze 72 in den Bistümern Lüttich, Hasselt und Namen-Luxemburg belegen sind.
Es ist logisch, dass in einem solchen Gebiet auch die Angst vor Tollwut berechtigterweise hoch ausgeprägt war, auch wenn sicher viele gebissen wurden, ohne sich deshalb mit Rabies anzustecken. Bestimmt kamen trotzdem viele schon vorsichtshalber zum St. Hubertus, um um Genesung zu bitten.
Wieder hat unser Guide Erklärungen, an denen wir sonst vorübergelaufen wären. Den Fuchs, als Symbol der Tollwut (unten, links im Bild) kann man im Zwickel über dem Seiteneingang wirklich nicht erkennen und auch nur kaum fotografieren. Der in die Mauer eingelassene Eisenring ist nichtssagend, ebenso wie der beschriftete Stein im Fußboden.

Marie-France aber erklärte, dass an Tollwut Erkrankte an den Eisenring gekettet wurden und dort Behandlung erhielten. Dann kam die Genesungsprobe auf dem nebenan liegenden Stein. Wenn sie dort stehen konnten, durften sie zurück in die Kirche, schafften sie es nicht, mussten sie wieder durch das Fuchstor hinausgehen.

Wallfahrten waren natürlich dazu da, um vorbeugend um Schutz zu bitten. Das frühere Kloster stellte für die Pilger Rastplätze zur Verfügung und man sagt, dass es Tradition war, dass die Mönche regelmäßig die Glocke läuteten, um den Pilgern den Weg zu zeigen. Das Benediktinerkloster bestand übrigens fast tausend Jahre. Aber 1797, unter der französischen Besatzung nach der Revolution wurden die Benediktiner enteignet und das Kloster verkauft.
Wallfahrten gibt es andererseits noch heute, zwei davon haben noch mittelalterlichen Charakter. Seit 1720 findet jährlich die "große Wallfahrt der Deutschen" statt, die von Lendersdorf (heute ein Stadtteil von Düren) ausgeht, beziehungsweise die alle zwei Jahre stattfindende Wallfahrt von Andenne (zwischen Namen und Lüttich).
Natürlich ist es heute nicht mehr die Tollwut, gegen die man beschützt werden will, sondern die Aufgabe des St. Hubertus hat sich in psychologische Richtung hin entwickelt. Heute sucht man Genesung von seelischen Beschwerden, wie Trübsinn, Ängste und Depressionen, aber auch von Geisteskrankheiten und Nervenleiden.

Aber wenden wir uns jetzt wieder der Kirche zu: Der barocke Hochaltar aus Marmor von Saint-Remy zeigt Maria mit dem Kind. Er wurde von Renier Panhay erschaffen. Auch die Namensgeber, St. Peter und St. Paul, sind am Altar vertreten.
Ganz oben finden wir wieder Christus, von Engeln angebetet. Lassen Sie mich auch auf das Farbenspiel auf der Empore und dem Gewölbe hinweisen.
Das Chorgestühl von 1733 besteht aus 62 Stühlen, hinter denen Reliefs das Leben von St. Benedikt (links, oben im Bild) und von St. Hubertus (auf der rechten Seite des Chors) zeigen.
Vor dem Chor, aber noch immer im Hauptschiff, gibt es zwei Seitenaltare, wovon der linke der Rosenkranzjungfrau geweiht ist, der rechte der heiligen Agatha. Wir gehen dann ins rechte Seitenschiff und sehen in luftiger Höhe nocheinmal den St. Hubertus, der über dem "Eingang" zum Chorumgang zu finden ist, gleich links von dem ihm geweihten Altar.
Dann gehen wir an einer ganzen Reihe Kapellen vorbei, wovon fünf von ihnen hinter dem Hochaltar halbkreisförmig die Kirche im Osten abschließen. Auf unserem Weg sehen wir die eingangs erwähnten Statuen von Petrus und Paulus, die aber leider schon in ein wenig desolatem Zustand sind. Außerdem sehen wir äußerst massive Holzbalken, die aus dem Stützgerüst des Nordturms stammen.
Es gibt in der Kirche auch fünf Grabplatten, wovon vier davon an Äbte des Klosters erinnern und die fünfte an einen Jean Balthazar, wer auch immer das war.
Die Zentralkapelle hinter dem Chor ist der Jungfrau Maria gewidmet und auf der anderen Seite befindet sich die Sakristei mit diversen Kirchenschätzen. In dieser Schatzkammer finden wir die verschiedensten Objekte, Textilien sowohl als auch Möbel, und nicht zuletzt Reliquien und andere kirchliche Behälter wie Kelche, Monstranzen und so weiter. Viele Gegenstände haben auch direkt mit der Geschichte der Kirche, beziehungsweise mit der Jagd oder St. Hubertus zu tun.

Mehrere Werke der Abteibibliothek - die ältesten aus dem 10. Jhd. - sind erhalten geblieben.

Nun ist wieder unser Guide an der Reihe. Sie zeigt uns ein Gesicht, das in die Mauer eingelassen ist. Sie sagt, dass viele glauben, dass das ein Abbild des Architekten sei, dass es aber vielmehr eine Unterteilung der Kirche ist, nämlich in einen (vorderen) Teil der Mönche, während die "gewöhnlichen" Leute mit dem hinteren Teil vorlieb nehmen mussten.
Außerdem zeigt sie uns einige Kraftpunkte in der Kirche, wie den in der Krypta (Bild rechts), der rund markiert ist. Wenn man auf diesen Punkten eine Weile stand, konnte das allerlei positive Resultate erzielen, wie Reinigung, Heilung, etc. Dazu gehören vielleicht auch ein Teil der Sonnen, die im Boden eingelassen sind. Wenigstens eine davon, im Chor, vereint den Kreuzpunkt der vier Windrichtungen mit dem Einfall der Sonne an gewissen Tagen (St. Dominique, St. Hubertus und St. Agathe). Andere sprechen davon, dass die acht Sonnen und zwölf Monde, die in der Kirche verteilt sind, vielleicht einen Kalender darstellten.
Erwähnenswert ist vielleicht auch noch, dass die Kirche 1927 von Papst Pius XI zur Basilika erhoben wurde.

Copyright Bernhard Kauntz, Wolvertem 2009



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