SCHLOSS BLOIS


Blois ist anders als die anderen Schlösser an der Loire. Hier kann man die Baugeschichte deutlich mitverfolgen - vom 13. bis zum 17. Jhd. wurde das heutige Schloss ausgebaut. Ursprünglich war das gotische Haus, das zwischen dem Flügel aus der Spätgotik und dem der Renaissance den Eckplatz einnimmt, ein Teil des Schlosses der Grafen von Blois. Zusammen mit der Mauer und dem Tour du Foix (auf dem Bild links) sind das die ältesten erhaltenen Teile des Schlosses. Die Terrasse ist im Laufe der Jahrhunderte aufgeschüttet worden, sodass man ein paar Stufen hinuntersteigen muss, um in den Turm zu gelangen. Er ist leer, aber er steht am höchsten Punkt des Schlosses, daher hat man von dort eine schöne Aussicht.
Das Schloss liegt heute mitten in der Stadt, die aus allen Richtungen herangewachsen ist. Man kann an den Häuserdächern sehen, wie hoch man wirklich gekommen ist. Auch die St. Nikolaus-Kirche gegenüber bietet einen schönen Anblick.

Aber die Terrasse hat noch mehr zu bieten als die Aussicht: Aufgestapelte Kanonenkugeln aus dem 15. Jhd. machen gegenwärtig, wie frühere Belagerungen ausgesehen haben. Die Kugeln sind aus Kalkstein, den man innerhalb des Schlosses abgebaut hat.
Sie sind 40 - 50 cm im Durchmesser, weil man große Kraft brauchte, um mit steinernen Kugeln Schaden anzurichten. Erst als man Kugeln aus Metall hatte, ging es "besser".

Viel erbaulicher als die Kanonenkugeln ist die Statue von Pan - mit Bockfuß und seiner Panflöte - der gerade wieder eine Nymphe verführt. Die Panflöte stammt ja aus einer ähnlichen Situation, nämlich als er die Nymphe Syrinx verführen wollte.

Diese jedoch verwandelte sich in Schilf, bevor er ihrer habhaft werden konnte. Da schnitt Pan die Schilfrohre ab und machte seine Flöte daraus.

Auf dem Weg zurück zum Innenhof gehen wir an der Hauskapelle vorbei, die von Ludwig XII erbaut und 1507 dem St. Calais geweiht wurde. Über dem Eingang sehen wir die Initialen L für den König und A für Anna de Bretagne, seine Gemahlin. Wie es zu dieser Ehe kam, übersteigt jedoch jede heutige Seifenoper ...
Ludwig XII heiratete als 14jähriger seine 12jährige Cousine Jeanne de Valois, Tochter von Ludwig XI, der diese Heirat mit einem potentiellen Thronfolger angestrebt hatte. Der Sohn Ludwig XII, Karl VIII, hatte inzwischen Anna von Bretagne geheiratet. Anna hatte jedoch schon ein Jahr früher den Habsburger Maximilian I geheiratet.
Beweinung Christi, Holzschnitzerei in der Kapelle
Graf Polheim war bei der Hochzeit Stellvertreter für Maximilian, der sich den weiten Weg ersparen wollte und der außerdem nicht an Anna, sondern an der Bretagne interessiert war. Frankreich protestierte, da laut Vertrag zu dieser Heirat die Einwilligung des französichen Königs nötig gewesen wäre. Drei Monate später besetzten französiche Soldaten die Bretagne. Maximilian schickte weder Truppen noch finanzielle Unterstützung an seine Gattin, die nach acht Monaten Hausarrest einwilligte, Karl VIII zu treffen. Drei Wochen später heirateten diese beiden, weil die Ehe zwischen Anna und Maximilian nie vollzogen worden war. Eigentlich war es aber noch schlimmer ...

Karl VIII hatte nämlich schon acht Jahre zuvor die damals dreijährige Tochter Maximilians geheiratet. Natürlich war diese Ehe auch nie vollzogen worden und konnte damit aufgelöst werden. Für Maximilian war die Situation jedoch ein wenig mühsam. Er verlor ja schließlich seine Frau an seinen Schwiegersohn und gleichzeitig den Ehemann seiner Tochter. Kein Wunder, dass die Beziehungen zwischen Frankreich und Österreich nicht die allerbesten waren.
Es geht aber noch weiter ... Als Karl im Alter von nur 28 Jahren kinderlos starb, wurde Ludwig XII über Nacht König von Frankreich. Ob nun er an Anna, oder Anna an ihm interessiert war, lässt sich nicht so genau sagen - aber er war ja schon 23 Jahre lang mit Jeanne de Valois verheiratet. Wie auch immer, Ludwig XII überzeugte Papst Alexander VI, dass auch seine Ehe nie vollzogen worden war - und er bekam die Scheidung. Drei Wochen später und nur 9 Monate nach dem Tod Karl VIII heiratete er Anna.
Jeanne de Valois wurde Herzogin und mit dem Herzogtum Berry abgefunden.

Doch von diesen Skandalgeschichtchen zurück zur Geschichte des Schlosses. Schon im 9. Jhd. gab es ein Schloss in Blois. Es waren die Grafen von Blois, die es damals besaßen - bis 1230, als es an die Familie Châtillon fiel. Im 14. Jhd. wird das Schloss als "schönstes Schloss im Königreich" erwähnt. 1391 wurde es an den Herzog Ludwig von Orléans, den Großvater von Ludwig XII, verkauft.
Der Vater Ludwig XII hat auch eine tragische Geschichte geschrieben. Er wurde im Hundertjährigen Krieg von den Engländern gefangen genommen und saß 25 Jahre lang in England, weil der König, sein Cousin, das Lösegeld nicht bezahlte.
Nach seiner Heimkehr heiratete der 46jährige die 14jährige Maria von Kleve - die Mutter von Ludwig XII. Diese beiden gebildeten Menschen veranstalteten auf Schloss Blois poetische Spiele, an denen jeder teilnehmen konnte.
Als König baute Ludwig XII den Hauptflügel des Schlosses in spätgotischem Stil, sowie den Seitenflügel vor der Kapelle.
1515 starb Ludwig XII und sein Cousin Franz I, der mit einer Tochter Ludwigs verheiratet war, wurde König. Dieser baute den zweiten Seitenflügel, doch jetzt schon im Renaissancestil, von dem er in Italien beeindruckt worden ist.
Der letzte Flügel, dem Eingangsflügel gegenüber, wurde schließlich von Gaston d'Orléans in klassizistischem Stil errichtet, wo sich vorher das Wohnhaus der Anna von Bretagne befunden hatte. Die doppelten Kuppeln im Stiegenhaus sind es ohne Zweifel wert, einen Blick hinauf zu machen. Und die Vielfalt der Stile, die beim ersten Anblick vielleicht ein wenig verwirrend sein mögen, gewinnen mit der Einsicht, hier einen ganz ungewöhnlichen, baugeschichtlichen Überblick zu bekommen.

Aber Blois hält noch mehrere Überraschungen bereit.

Im ersten Stock des Hauptflügels gibt es ein Museum der schönen Künste, mit einem Schwerpunkt der Darstellungen auf Altertum, sowie biblischem und mythologischem Inhalt. Gemälde und Skulpuren vom 16. bis zum 19. Jhd. werden hier ausgestellt, sowie eine bedeutende Wandteppichsammlung.


Europa wird von Zeus als Stier nach Kreta gebracht
     
Das Stachelschwein war das Wappentier von Ludwig XII

Auf den Kaminaufsätzen gibt es Rekonstruktionen verschiedener Embleme von Ludwig XII und Anna von Bretagne, dem Stundenbuch der Herrscherin nachempfunden. Das Original wird übrigens heute in der französischen Nationalbibliothek verwahrt.
Der Rundgang ist mit Richtungspfeilen versehen, sodass man auch ohne Führung gut zurechtkommt. Man beginnt im ältesten Teil des Schlosses, in dem gotischen Haus, wo sich der Ständesaal befindet, ein Raum, der schon vor 1220 erbaut wurde. Der zweischiffige Saal wird in der Mitte von einer Säulenreihe unterbrochen. Es ist dies Frankreichs größter gotischer Saal aus dem 13. Jhd. Man wird vor allem von der Farbgebung der Deckenmalerei beeindruckt. Auf tiefblauem Hintergrund sind tausende französische Lilien wie Sterne zu sehen. Dies ist zwar eine Restauration aus dem 19. Jhd. - aber es soll auch im 13. Jhd. durchaus so ausgesehen haben können.
Im Mittelalter wurde hier Gericht gehalten. Seinen Namen bekam der Saal, weil König Heinrich III in den Jahren 1576 und 1588 die Abgeordneten der Stände hier versammelte.
Von hier geht die Führung weiter in den Renaissanceflügel von Franz I. Und zwar in die Küche, wo schon wieder eine Überraschung wartet.
Hier gibt es nämlich ein Lapidarium. Das Wort kommt von Latein "lapis", das "Stein" bedeutet. Es ist also eine Sammlung von Steinen, aber keine Mineraliensammlung, sondern aus bearbeiteten Steinen. In diesem Fall stammen die Teile vom Schloss selbst, das man unter Ludwig XVI abreißen wollte. Man hatte damit teilweise schon begonnen, als man sich entschied, aus dem Schloss eine Kaserne zu machen. 1840 schließlich beschloss man, dass das Schloss ein historisches Monument sei und man begann wieder mit der Aufrüstung. Was man hier im Lapidarium sehen kann, sind Teile, die man schon abgerissen hatte, die aber zum Glück noch erhalten geblieben waren. Hier sehen wir Fragmente vom Seitenflügel Ludwig XII, nämlich Teile der Dachrinne und einer Fiale.

Wie der Rest der Räume verteilt war, weiß man nicht genau. Der Restaurateur des Schlosses, Félix Duban, ging von einer "idealen" Verteilung der Räume aus, als er sie wieder schuf.

Wir beginnen in den Gemächern von Franz I, wo wir heute eine Büste von dem ewig lächelnden König finden, wie auch sein Wappentier, den gekrönten Salamander, über dem Türstock. Ein Thronhimmel unterstreicht nochmals die Königswürde.
Im anschließenden Saal der Wachen wird die Bewaffnung vom 15. bis zum 17. Jhd. gezeigt. Über die Galerie kommt man in das Schlafzimmer der Katharina von Medici.
Sie war die Gattin von Heinrich II, dem Sohn und Nachfolger von Franz I, und eine große Intrigantin, sowie Mutter der drei aufeinander folgenden Könige - Franz II, Karl IX und Heinrich III.

Das kleine, anschließende Studio ist der einzige Raum im Schloss, der die vergangenen Jahre einigermaßen gut überstanden hat und im Prinzip immer noch so aussieht wie vor 500 Jahren. 237 geschnitzte Tafeln mit italienischen Kandelabermustern bilden die Wandverkleidung und vier Schränke schließen Kunstwerke aus der Renaissance ein.
Die diversen Möbel im Schloss sind sonst fast durchgehend zwar im Renaissancestil, aber Nachbildungen aus dem 19. Jhd., als man das Schloss wiederherstellte.

Im zweiten Stock findet man Räume, wie sie zur Zeit Heinrich III (1574 - 1589) ausgesehen haben mögen.

Heinrich III war ein schwacher König in einer schwierigen Zeit. Der Krieg zwischen den Protestanten und den Katholiken ging nach der Bartholomäusnacht unvermindert weiter - und der König versuchte, die beiden Parteien zu besänftigen. Das tat er aber nicht dadurch, dass er neutral war, sondern er fiel von einer Seite auf die andere, was die Schwierigkeiten noch vergrößerte. Die katholische Liga dagegen gewann immer mehr Macht.
Ihr Anführer war Heinrich von Guise, der als Triumphator in Paris einzog und den König nach Blois flüchten ließ. Dennoch vollzog er den Putsch nicht, sondern suchte den Ausgleich mit Heinrich III. Dieser jedoch bestellte ihn ein gutes halbes Jahr später in seine privaten Zimmer auf Schloss Blois, wo er ihn von seiner Garde ermorden ließ. Sicherheitshalber ermordete man auch den Bruder, Kardinal von Guise. Ein halbes Jahr später fiel Heinrich III jedoch selbst einem Mörder zum Opfer, nämlich dem Mönch Clément.

Auch die Möbel des Königszimmers hier im Bild sind nicht Original, sondern Reproduktionen aus dem 19. Jhd. Dagegen kann dieses Zimmer der Schauplatz für den Mord an Heinrich von Guise gewesen sein.


© Bernhard Kauntz, Västerås 2008



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last update: 17.5.2008 by webmaster@werbeka.com