Auf der Suche nach geschichtlichen Fundstätten in

Vångsta ist ein ganz kleines Dorf, nur ein paar Kilometer nordwestlich von Västerås. Es liegt entlang einer meiner "Routinerunden", wenn ich - um Bewegung zu machen - mit dem Fahrrad unterwegs bin. Im Laufe der Jahre bin ich hier oft durchgefahren - ohne zu wissen, dass das Dorf viele geschichtliche Fundstellen beherbergt. Deshalb war ich auch nicht besonders aufmerksam, sondern radelte nur durch, ohne je etwas zu sehen.

Ich hatte jedoch im Landesmuseum ein interessantes Buch gefunden - eben über geschichtliche Funde in der Nähe von Västerås. Dort las ich mit steigender Verwunderung, wie viel es in Vångsta zu entdecken gab, außer den vielleicht zehn Gehöften, die heute noch bewohnt sind.

Natürlich würde im Sommer eine Radtour den Sehenswürdigkeiten von Vångsta gewidmet werden. Meine fünfzehnjährige Tochter wollte mich begleiten, was ich sehr schätzte. Fünfzehnjährige Mädchen sind sonst nämlich meist damit beschäftigt, miteinander über die Jungen der Nachbarschaft und den letzten Modetrend zu tratschen, während sie zum fünften Mal die Nägel lackieren, weil die Nuance doch nicht gerade die war, die sie sich vorgestellt hatten, als sie das Fläschchen Nagellack sahen.

Wir warteten bis die Wettervorhersage gutes Wetter garantierte, dann packten wir ein Picknick in eine Tasche, zusammen mit Werkzeug, um eine eventuelle Reifenpanne beheben zu können - und dann ging es los.

Getingbacken (der Wespenhügel) war unser erstes Ziel - nicht, weil der Name direkt einladend war, sondern weil es dort im Buch eine ganze Menge roter Punkte gab, was darauf hinzeigte, dass dort ein altes Begräbnisfeld lag. Jetzt ist es aber so, dass die Natur in Wirklichkeit ein wenig anders aussieht, als auf einem Plan in einem Buch. Wir hatten begriffen, dass dieser Hügel links von der Straße liegen musste, doch welche dieser baumbewaldeten Erhöhungen das war, war schwer abzuschätzen. Wir hatten uns auf eine davon geeinigt, aber sicher waren wir deshalb noch lange nicht.

Zum Glück waren im gegenüberliegenden Bauernhof Leute im Garten, die unseren Verdacht bestätigen konnten. Gut! Wir parkten also die Räder am Straßenrand und marschierten über die Wiese auf Getingbacken zu.

Nun gibt es jedoch einen recht großen Unterschied zwischen bekannten Stätten aus geschichtlicher Zeit, wie der Akropolis in Athen, der Römerstadt Carnuntum bei Wien, oder sogar Anundshög auf der anderen Seite von Västerås. Dort ist alles für die Touristen vorbereitet, die kommen sollen, mit großen Augen die Sehenswürdigkeiten bestaunen und dann möglichst schnell weitergehen sollen, um der nächsten Autobuslast Platz zu machen. In Vångsta ist das anders! Da rinnt ein Bach quer über die Wiese, ärgerliche vierzig, fünfzig Meter von Getingbacken entfernt. Er ist nicht sehr breit, ein kurzer Sprung sollte uns über das Hindernis führen. Meine Tochter ist dafür, sie schlägt vor, dass ich die Picknicktasche zuerst hinüberwerfen soll, damit ich unbehindert springen kann. Freudig notiere ich ihre Fürsorge um ihren Vater, aber mein inneres Auge warnt mich vor einer so brutalen Handlung. Es zeigt mir nämlich mit überzeugender Klarheit, wie sich beim Aufschlag der Schraubenzieher durch den Karton ihrer Limonade, oder noch schlimmer, durch meine Bierdose bohrt.

Das ist aber nicht mein einziger Einwand. Im Graben zum Bach hinunter steht das Gras sehr hoch und verdeckt alle Sicht nach unten. Außerdem ist der Abhang ziemlich steil. Man kann unmöglich voraussehen, wo und wie man auf der anderen Seite landen wird. Und auf einer Radtour in Vångsta will ich keinen verstauchten Knöchel riskieren ... Wir gehen eine Weile den Graben entlang, aber es sieht überall gleich aus. Deshalb schreiben wir Getingbacken ab - es gibt ja wirklich noch andere Dinge zu sehen.
Das ist aber andererseits auch ein Teil der Spannung, dass man nicht in Pompeji ist oder vor der Stiftskirche in Uppsala steht. Man muss selbst entdecken, weil es keine Richtungspfeile und keinen fertigen Text gibt. Man muss auch selbst Beschlüsse fassen und bekommt nicht alle Fakten auf Schildern präsentiert. Es ist wie eine Art Schatzjagd und daher recht anregend.

Wir waten also durch das halbhohe Gras zurück und finden dann gleich das alte Wohnhaus von 1770, das danach auf unserer Liste steht. Die Vorhänge in den Fenstern deuten an, dass man hier noch heute wohnt - wenigstens einen Teil des Jahres.

Das Missionshaus ist deutlich jüngeren Datums - es wurde um die Jahrhundertwende zum 20. Jhd. errichtet. Wir versuchen, durch die Fenster zu sehen (auch hier gibt es Vorhänge), aber man hat den Einblick durch große Möbel vor den Fenstern von innen verhindert. Auf der Rückseite geht es besser, aber die himmelstürmende Entdeckung bleibt uns auch hier versagt. Es scheint, als ob man diese Hochburg der Bekehrung heute als Verwahrungsraum für Gerümpel verwendet. Tempera mutantur - schon die Römer wussten, dass sich die Dinge mit der Zeit verändern ...

Der Hof des Großgrundbesitzers, in gelber Farbe, breitet sich (wenigstens mit Vångstas Maß gemessen) protzig hinter dem Missionshaus aus, aber wir radeln schnell vorbei. Wir wissen nämlich, dass es hier, ein Stück hinter dem Hof, eine Brücke geben soll, die uns endlich über den neckischen Bach bringt. Ganz richtig befinden wir uns bald auf der "richtigen" Seite, auf der, wo es die meisten Funde geben soll. Hier ist die Mahd schon vorbei und wir schieben die Räder bis an den Waldrand. Dann müssen wir uns noch durch einen Grasgürtel drängen, in dem die höchsten Gräser uns bis über den Kopf wachsen. Dahinter beginnt der verwucherte Wald.

Wir sind auf gut Glück in den Wald hineingegangen, aber das Glück lächelt uns diesmal zu. Auch wenn es sehr schwer ist, in dem überwachsenen Dickicht etwas zu erkennen (und noch schwerer zu fotografieren), besteht kein Zweifel, dass wir von Grabhügeln umgeben sind, von angehäuften Steinen und auch Schiffssetzungen - die allesamt auf Begräbnisse aus der Wikingerzeit hinweisen. Das Buch erwähnt auch sogenannte "skålgropar", also seichte, aus dem Stein herausgeschlagene Vertiefungen, in denen man den Göttern ein paar Öre oder einen Brocken Butter und dergleichen opferte, oft um Heilung von Krankheiten zu erflehen. Aber ich sehe sofort, dass man hier aufräumen müsste und das Moos von den Steinen schaben, um so einen Fund zu machen. Ich mache ein paar Fotos, aber dann begeben wir uns nicht weiter in die Wildnis hinein.

Statt dessen geht es zurück über den Bach, wieder vorbei am Hof des Großgrundbesitzers, hinaus zur Landstraße. Dort biegen wir diesmal rechter Hand ab, auf die Seite, auf der kein Bach im Weg ist.
Hier soll es einen vorgeschichtlichen Hausgrund geben, mit bis zu drei Meter dicken Steinmauern. Das hört sich zwar sehr interessant an, aber der liegt ein paar hundert Meter im Wald, der auf dieser Seite ebenso verwachsen ist, wie auf der anderen.

Den alten Weg, der dorthin führen soll, finden wir trotz allen Anstrengungen nicht. Vermutlich ist auch der mit der Zeit vollkommen überwachsen. Uns fehlt die richtige Motivation, um uns drei- oder vierhundert Meter durch stacheliges Gebüsch und schlingernde Gewächse zu schlagen, deshalb streichen wir auch den Hausgrund - wenngleich das mit großem Bedauern geschieht.

Unser letzter Fund soll direkt an der Landstraße liegen, nicht weit von dem Platz, wo wir am Rückweg wieder auf sie treffen. Doch jetzt passiert es, dass auf diesem nahezu unbefahrenen Weg zwei Autos gleichzeitig kommen, eines von vorne und eines hinter uns. Wir sind vollauf beschäftigt, auf dem schmalen Weg so nahe wie möglich am Straßenrand zu fahren und dann, als wir uns wieder in Ruhe umsehen können, fahren wir nur mehr ein kleines Stück und sind dann schon aus dem Dorf draußen. Wir überlegen kurz, ob es sich lohnt zurückzufahren, aber wir sind immerhin schon ein paar Stunden unterwegs und finden, dass es für heute reichen kann. Wir haben trotz allem gesehen, wieviel Geschichte es mehr oder weniger vor unseren Augen geben kann - und das sogar an so unerwarteten Plätzen wie Vångsta. Damit sind wir zufrieden.

Ein paar Wochen später fuhr ich auf meiner Radtour wieder einmal durch Vångsta und hatte die Kamera mitgenommen - nur für den Fall dass ... Natürlich passte ich an der Stelle, an der wir vom Verkehr beansprucht worden waren, ein wenig besser auf. Und da lag es! Ein großes und schönes Steinschiff streckt sich hinter einem kleinen Grabhügel von der Landstraße weg, mit zwei kleineren Schiffen im Anschluss an das zehn bis zwölf Meter große.

Und auch wenn ich - hochmütigerweise - fühle, dass unsere eigene Kultur viel höherstehend ist, bezweifle ich stark, dass dessen Überreste die Jahrhunderte so gut überstehen werden, wie die dieser Ahnväter.


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last update: 29.8.2007 by webmaster@werbeka.com