Wien 14., Hüttelbergstraße

oder: Eine ganz gewöhnliche Straße in Wien


Wissen Sie, ich bin kein Spaziergänger. Es geht mir zu langsam und "man sieht nichts" - das sind normalerweise meine Einwände. Ich fahre lieber mit dem Rad. Na gut, aber bis zum Fuchsmuseum in der Hüttelbergstraße war es ja wirklich nicht weit ... Leider sperrte man dort schon um 16 Uhr und wir waren spät dran, also gingen wir noch ein Stück weiter. Und plötzlich gingen mir die Augen auf. Da gab es ja viel zu sehen, wenn man nur dazu bereit war.
Ich holte die Kamera hervor und begann Fotos zu machen. Den unteren Teil der Straße knipste ich am Rückweg, aber hier gebe ich die Bilder in der "richtigen" Reihenfolge, also ab der Linzer Straße wieder. Gleichzeitig nahm ich mir vor, noch mehrere solcher "Spaziergänge" in Wien zu machen.

Schon ganz am Anfang, eigentlich noch auf der Linzer Straße, ist diese Gedenktafel angebracht, von der Gemeinde Hütteldorf dem Erzherzog Franz Karl gewidmet. Abgesehen davon, dass Sprache und Formulierung recht interessant sind, waren die Hütteldorfer schnell mit ihrem Andenken, denn Erzherzog Franz Karl starb im Jahr 1878. Andererseits befürchte ich, dass es heute nicht mehr so viele Hütteldorfer gibt, die an ihn denken, ja, nicht einmal wissen, wer er war. Das gilt aber den meisten anderen Österreichern auch. Franz Karl war der Vater von Kaiser Franz Joseph, der im Jahr 1848 zugunsten seines Sohnes auf den Thron verzichtete.
Aber Geschichte ist ja ohne Zweifel viel interessanter, wenn man sie, wie hier, aktiv erleben kann, als sie in der Schule im Geschichtsbuch zu lernen.

Auf der anderen Ecke zur Linzer Straße liegt das "Gwölb", das, ganz im Gegensatz zu seinem Namen, aber auch einen schönen, schattigen Garten hat. Vermutlich hatte auch Erzherzog Franz Karl seinen Grund, warum er gerade hier "einzutreffen pflegte". Schließlich soll man ja zu einem Jagdausflug auch nicht hungrig aufbrechen und von der Hofburg hierher war es doch ein schönes Stück Weg.

Aber von den weltlichen Gelüsten schnell wieder zurück auf die andere Straßenseite. Noch immer auf der Linzer Straße steht ein "Marterl" mit der Jahresinskription 1713. Ein Marterl ist eine Erinnerungsstätte an den gekreuzigten Christus, oft in einfacher Form am Wegrand aufgestellt.

Hier jedoch handelt es sich um eine fünf, sechs Meter hohe Skulptur. Auch die katholische Pfarre Hütteldorf, dem St. Andreas geweiht, befindet sich noch auf der Linzer Straße, das Foto dagegen ist schon von der Hüttelbergstraße aus gemacht, von wo man den besten Winkel hat. Die Turmuhr schlägt gerade drei Mal. Drei Viertel der vollen Stunde also. Daher stammen auch die österreichischen Zeitangaben. Viertel fünf bedeutet einen Schlag, ein Viertel der fünften Stunde.

Der Vorteil ist, dass man nicht nur die volle Stunde als Referenzpunkt hat (Viertel nach vier), sondern dass man auch ohne weiteres zu den Vierteln referieren kann. "Es ist fünf vor Dreiviertel sechs." Mit (nord)deutschen Angaben geht das nicht. "Es ist fünf vor Viertel vor sechs" ist unmöglich.

Auf dem regennassen Gehsteig müssen wir ständig den Pfützen ausweichen, was schwierig ist, weil die Augen immer wieder in die Umgebung abschweifen. Dieses Haus mit seinen Giebeln und dem Holzbalkon ist sicher auch schon zu Franz Josephs Zeiten entstanden.

Am erheblich neueren Montessori-Haus und der gegenüber liegenden Schule geht es weiter bergauf, aber schon kommt die nächste Augenweide, was die Architektur betrifft. Gleich nebeneinander stehen diese beiden Beispiele der Baufreude des ausgehenden 19. Jahrhunderts.

 

Aber nicht nur die alten Häuser haben ihre eigene Atmosphäre. Auch ein durchaus modernes Mietshaus ist an der Wand mit einer Zeichnung verschönert, die das Gesamtbild belebt.

Dass es sich hierbei um ein religiöses Motiv handelt, hat vermutlich mit der gegenüberliegenden Kirche zu tun. Es ist das die evangelische Trinitatis-Kirche, die sich trotz ihrer modernen Bauart gut an die natürliche Umgebung anpasst.

Auf der anderen Straßenseite finden wir auch ein mehrstöckiges Mietshaus, diesmal ein wenig älterer Bauart, das jedoch ebenfalls durch seine Ausschmückungen fasziniert.

Bald danach stoßen wir auf eine Villa, die verkündet, dass sie 1909 erbaut worden ist. In ihr befindet sich heute die Botschaft von Kamerun. Sogar die moderne Skulptur im Garten fügt sich wohl in die Umgebung ein, nicht zuletzt vielleicht dadurch, dass sie auf uns sehr fremdländisch wirkt und daher "das Recht" hat, anders zu sein. Es ist ein bisschen schwierig, durch den Zaun zu fotografieren, aber ich nehme mir die künstlerische Freiheit, das Bild trotzdem zu zeigen.

Gleich darauf kommt wieder ein Villa, die mit ihren Figuren neben den französischen Fenstern, ihrer Ausschmückung und nicht zuletzt mit der Balustrade am Dach besticht. Und dann sind wir auch schon beim Fuchsmuseum.

 

Dieses Haus, ursprünglich als Wagner-Villa bekannt, weil es von Otto Wagner erbaut und auch als Wohnsitz benutzt wurde, kam schließlich in den Besitz von Ernst Fuchs, der das Haus 1988 in sein Museum umwandelte.

Aber auch ohne das Museum zu betreten, ist das Haus an sich schon ein Erlebnis. Von der dominierenden Bronzestatue, der "Esther", am Treppenaufgang abgesehen, gibt es noch weitere Statuen und Pavillons im Garten.

Als Otto Wagner 1912 seine Villa verkaufte, hatte er direkt nebenan eine zweite gebaut, die er schon seit 7 Jahren geplant hatte. Sie war auch als Witwensitz gedacht und ist heute noch als "Villa Wagner" beschriftet.

Ein Stück weiter gibt es die nächste Überraschung. Ein herabgekommenes, unscheinbares, kleines Haus hat auch eine Geschichte zu erzählen.

Albert von Sachsen-Teschen hatte eine Tochter Maria Theresias, Marie Christine, geheiratet. Mimi, wie sie genannt wurde, war eine begabte Malerin, starb allerdings 1798, erst 56 Jahre alt, an verdorbenem Wasser. Daraufhin verwirklichte ihr Gatte das Projekt, Teile Wiens mit sauberem Trinkwasser zu versehen. Er fasste die Quellen des Hütteldorfer Halterbachtales und der Ottakringer Waldung zusammen und errichtete "die erste öffentliche Wasserleitung in Wien", wie auf dem Schild zu lesen ist.

 

1805 fertiggestellt, versorgte sie vier der damaligen Vorstädte mit reinem Wasser.
Herzog Albert teilte auch das Kunstinteresse seiner Gattin und wurde ein begeisteter Sammler. Nach diversen Auslandsdiensten bekam das Paar ein Palais auf der Bastei als Wohnort zugewiesen. Das war die heutige Albertina, deren grafische Sammlung eine der größten der Welt ist.

Kurz nach der Wasserleitung muss ich wieder zur Kamera greifen, denn auf der gegenüberliegenden Seite steht ein eher einfaches Haus, das aber durch seinen Winkelbau und die Heiligenstatuen in den Nischen neben dem Frontfenster auffällt.

 

Und noch ein Stückchen weiter lädt mich ein Anblick ein, ein paar Schritte in eine Nebengasse zu machen, um auch diese überwachsenen Häuser mit Natursteinfassade zu verewigen.

Ein letztes Bild gilt nicht der Architektur, sondern der kleinen Wasserträgerin in einem Vorgarten. Dass der kleine Löwe beim Eingangstor dann durch die Perspektive viel größer erscheint, gibt dem Foto noch extra Reiz.

Wir sind nun der Verlängerung der Hüttelbergstraße, der Karl Bekehrtygasse, ein paar hundert Meter gefolgt, um nach den Mühen des Tages beim "Ochsenkopf" einzukehren und ein wohlverdientes Bier zu genießen.

Ich habe jedenfalls gelernt, dass es durchaus nicht langweilig sein muss, spazieren zu gehen, wenn man dabei nur die Augen aufmacht - und ich lege das Versprechen ab, meine Augen künftig offen zu halten.



Zurück zu den oder zum von


23.7.2005 by webmaster@werbeka.com