Das Uhrenmuseum in Wien


Das Uhrenmuseum liegt - ziemlich versteckt - am Schulhof in der Altstadt von Wien. Dennoch ist es ohne Zweifel wert, dort einen Besuch abzustatten. Auf drei Stockwerke verteilt bekommt man hier einen Überblick über die Vielfalt an Uhren, die in den letzten 700 Jahren verwendet wurden.

Eine Übersicht zeigt, dass Wien international gesehen eine ziemliche "Verspätung" hatte, was öffentliche, städtische Uhren betrifft. Die erste stammt aus dem Jahr 1336 und war in Mailand beheimatet. Norditalien war überhaupt ein Schwerpunkt, Modena kommt auf den zweiten Platz, Padua auf den vierten. Auch Monza und Vicenza sind noch unter den ersten acht. Unter den nicht-italienischen Städten finden wir Brügge an dritter Stelle, London an siebenter und Straßburg am neunten Platz. Grob gesehen kann man eine Linie von Norditalien über die Schweiz nach Belgien ziehen - dort gab es (mit einigen Ausnahmen) die frühesten Uhren. Wien kommt erst im nächsten Jahrhundert, 1417, zu einer städtischen Uhr, als 58. Stadt. Dem Glücklichen schlägt keine Stunde?

Hier links finden wir eine Türmeruhr, die etwa Mitte des 15. Jhd. entstanden ist. Das Uhrwerk ist wahrscheinlich das älteste aus dem Gebiet des heutigen Österreichs. Die beiden Figuren oben sind nicht authentisch, sondern wurden erst im 17. Jhd. angebracht.

Ich lerne, dass sich die ersten Zeitmesser aus mechanischen Bratspießen entwickelt haben, weil man beim Braten den Spieß langsam und gleichmäßig drehen musste. Von da war dann der Gedankensprung bis zum sich drehenden Zeiger nicht mehr weit.

Die erste Uhr am alten Wiener Rathaus dürfte sich dort schon 1424 befunden haben, die erste Erwähnung einer Uhr stammt jedoch erst von 1539, als man eine "schlachundte Uhr" (schlagende) beschreibt. 40 Jahre später bekam das Rathaus eine neue Uhr, die damals schon im Viertelstundentakt schlagen konnte. All diese Uhren waren aber nicht sehr zuverlässig, sondern man brauchte "Uhrrichter", die mit Hilfe von Sanduhren immer wieder die richtige Zeit einstellten.
Im Bild sehen wir ein Turmuhrwerk des alten Rathauses, um 1715 von Marcus Antonius Millög gebaut.

Die Uhr auf dem Stephansturm schlug bis Ende des 18. Jhd. allerdings nur die ganzen Stunden, die Viertelstunden wurden von den Turmwächtern händisch angeschlagen. Auch der Minutenzeiger wurde erst an der neuen Uhr vom Jahr 1700 angebracht.

Das Turmuhrwerk zu dieser Uhr wurde von Joachim Oberkircher gebaut und ist hier im Bild zu sehen.
Dass man mit den Turmwächtern manchmal sein liebe Not hatte, zeigt folgender Auszug auf dem Stadtratsprotokoll von 1561: "Es wurde einträchtig beschlossen und angezaigt, das man fürohin dem thurner die schlachuhr nit solle vertrauen, in ansehen er nit im thurn beleib, darzue innen und außer der stat auf panggettn (Banketten) ist, mitlerzeit die uhr nit gehet, sunder ainen aus den wachtern, so des kundig, darzue zu geprauchen, der beruerte ur zu morgens und abents rechter zeit solle aufziehen"

Im nächsten Raum gibt es eine Uhr, die jedoch eher dem Cockpit eines Flugzeugs gleicht, als einer Standuhr. Es ist dies das Prunkstück des Museums, nämlich eine astronomisch-astrologische Weltuhr.

Sie hat so viele Zeiger, dass man sich kaum die Mühe macht, die einzelnen Anzeigen zu untersuchen, aber die Uhr erläutert sogar Tierkreiszeichen, Sonnen- und Mondfinsternisse und als besondere Attraktion besitzt sie auch ein Kalendarium bis zum Jahr 9999. Sie wurde von David Ruetschmann, einem Laienbruder im Augustinerkloster in den Jahren 1762-69 entwickelt.

Eine etwas einfachere Variante einer astronomischen Uhr gibt es hier im Bild. Sie stammt aus Ischl in Oberösterreich und zeigt Stunden, Monate, Datum, Wochentage, Mondphasen und Vierteljahre (Jahreszeiten) an.

Natürlich gibt es auch andere Formen von frühen Uhren, beziehungsweise verschiedenartige Zeitmessung. Die Kerze mit Markierungen gibt es ja heute noch als Adventskerze.

Die Sanduhr ist ein bewährtes Prinzip - auch sie ist heute zum Teil noch in Verwendung, zum Beispiel um bei Fragespielen die Zeit für die Antwort zu begrenzen. Die Kugeluhr in der Mitte dagegen ist heute kaum mehr gebräuchlich. Sie stammt aus dem 17. Jhd., als die Himmelbetten große Verwendung fanden. Die Kugeluhren werden auch Betthimmeluhren genannt, weil man sie vom Betthimmel hinunterbaumeln ließ.

Es werden natürlich auch allerlei Zwiebel- Taschen- und Anhängeruhren gezeigt. Die hier abgebildeten stammen alle aus der zweiten Hälfte des 18. Jhd. Erzeugt wurden sie (von links nach rechts) von Allan Walker, London - Johann Georg Landrichter, Graz - Le Roy, Paris.
Auch Standuhren gibt es in Hülle und Fülle. Diese Bodenstanduhr aus dem Jahr 1705, erzeugt von Henry Batterson in London, zeigt als Bekrönung Chronos auf der Weltkugel. Die Intarsienarbeiten auf dem Kasten, sowie das hübsche Ziffernblatt machten die Uhr zu meiner ersten Wahl, hätte ich mir eine aussuchen dürfen.
Der nächste Saal ist Maria Ebner von Eschenbachs Sammlung gewidmet. Sie heißt wirklich so, auch wenn sie fast jeder "von Ebner-Eschenbach" nennt ... Wie auch immer, sie war eine österreichische Schriftstellerin (Krambambuli), zugleich aber Uhrmacherin, was im 19. Jhd. nicht zu den gewöhnlichsten Berufen einer Frau zählte. 1917, ein Jahr nach ihrem Tod, erwarb die Stadt Wien ihre Uhrensammlung. Leider gingen mehr als 200 Objekte davon im Zweiten Weltkrieg verloren.
Gegen Ende des 18. Jhd. wird es modern, auch in privaten Wohnungen Uhren zu installieren. Der Rest des ersten Stockwerks zeigt Wanduhren und Kommodenstanduhren aus dieser Zeit. Der fliegende Hermes wurde damals in Wien erschaffen, die Standuhr, auch aus Wien, ist ein wenig jünger, etwa von 1810. Der zweite Stock zeigt Uhren aus der ersten Hälfte des 19. Jhd. Nun hielt die Uhr in bürgerlichen Haushalten ihren Einzug.
Am meisten faszinieren mich die sogenannten Bilderuhren, bei denen eine echte Uhr in ein Gemälde eingebaut wurde. Auch psychologisch gesehen ist das recht interessant. Meistens waren diese Uhren nämlich auf Kirchtürmen angebracht, so wie es schon hunderte Jahre lang zur Gewohnheit geworden war. Und wenn man jetzt schon eine Uhr im Hause haben sollte, dann war ihr Platz wenigstens immer noch auf einem Kirchturm ...
Diese Zeit war, wohl wegen der großen Nachfrage, die produktivste Zeit für die Wiener Uhrmacher.

Eine weitere Erfindung war das Kompensationspendel, das es ermöglichte, eine Wanduhr ein ganzes Monat lang bei nur geringer Abweichung in Gang zu halten, ja es gab sogar Jahresuhren. Kompensiert werden musste teils die Temperatur und teils der Luftdruck, weil diese beiden Einheiten auf die Länge und die Schwingungen des Pendels (und damit auf die Uhrzeit) Einfluss hatten.

Im dritten Stock schließlich werden Schaustücke aus dem 19. und 20. Jhd. gezeigt.

Es gibt hier eine Sammlung von Bodenstanduhren aus der Zeit des Historismus - denen solche des Jugendstils gegenübergestellt sind. Außerdem gibt es weitere Beispiele von "modernen" Taschenuhren und Armbandsuhren. Ein Raum ist den sogenannten "Schwarzwälderuhren" reserviert, wo man auch Kuckucksuhren und sonstige bäuerliche Stücke bewundern kann.

Spieluhren sind ein anderer Schwerpunkt in den letzten Räumen des Museums, egal ob es sich um ein Glockenspiel handelt, wie auf der Uhr im Bild, die um 1780 in Österreich hergestellt wurde, oder ob es Uhren mit Kammspielwerken sind.

Schließlich gibt es noch Kuriosa und andersartige Uhren, wie unten den "Jäger", der ein sogenannter Augenwender ist, d.h. seine Augen wandern im Sekundentakt von links nach rechts. Er wurde um 1820 gebaut und besitzt ein Viertelstundenschlagwerk. Die Kuckucksuhr aus dem Jahr 1870 stammt von Gordian Hettich aus Furtwangen.

Sehr interessant ist es, im Uhrenmuseum eine Quarzuhr zu finden, aber diese hier ist tatsächlich schon fast 50 Jahre alt, denn sie wurde 1960 von Patek und Philipps in Genf gebaut.

Auf keinen Fall aber ist der Besuch im Uhrenmuseum eine Zeitverschwendung ...


© Bernhard Kauntz, Västerås, 2008



Zurück zu den   oder zum   vom  


Seite erstellt am 5.10.2008 by webmaster@werbeka.com