Wien 1., Stadtspaziergang (Teil 8)


Vom Kohlmarkt biegen wir nun links in die Wallnerstraße ein und finden dort das Palais Esterhazy. Der Adel versuchte, seine Herrenhäuser oder Palais so nah wie möglich bei der kaiserlichen Burg zu bauen. Je näher, desto größer war die Chance, dem Kaiser aufzufallen und in den Rängen zu steigen.
Die Familie Esterhazy, ursprünglich aus Ungarn, bekam den Freiherrentitel im Jahr 1622 und gleichzeitig auch die Herrschaft über Burg Forchtenstein und nicht zuletzt über Eisenstadt im Burgenland. Für die Kaiser bedeutete die Familie Esterhazy eine große Hilfe im Kampf gegen die Osmanen, da sie, Wien vorgelagert, auf eigene Kosten gegen die Türken kämpften.
Paul Esterhazy war außerdem in Ungarn ein Fürsprecher für das Erbkönigtum statt eines Wahlkönigtums gewesen. Auch das fiel den Habsburgern, als Könige von Ungarn, natürlich in den Geschmack. Aber eine Hand wäscht die andere, und so verlieh Kaiser Leopold I im Jahr 1687 Paul Esterhazy den Fürstentitel.
Nicht zuletzt soll erwähnt werden, dass die Esterhazy große Förderer von Joseph Haydn waren. Aber auch Frnz Liszt wurde von ihnen entdeckt und Franz Schubert war Klavierlehrer von zwei jungen Komtessen der Familie.
Das Palais wurde 1687 begonnen, aber dann in mehreren Stufen ausgebaut, da auf dem Gelände früher vierzehn Häuser standen, die die Esterhazys nach und nach aufkauften. Im Bild rechts sehen wir einen der beiden Höfe des Gebäudes. Das Familienwappen ziert das Schmiedeeisengeländer über dem Eingangstor (Bild oben).
Heute wird das Palais an verschiedene Firmen und Organisationen vermietet.

Zwei Häuser weiter, auf Nummer 8, finden wir das nächste Palais, nämlich das der italienischen Familie Caprara-Geymüller (Bild unten). Es ist eines der ältesten Barockgebäude in Wien.

Auch diese Haus wurde kurz vor der Jahrhundertwende zum 18. Jahrhundert erbaut. Das Tor mit den beiden seitlichen Atlanten und dem kleinen Balkon darüber ist sehenswert. Aber es ist eine Geschichte, die knappe hundert Jahre später stattfand, die erzählenswert ist. Zur Zeit der französischen Revolution befand sich die französische Botschaft in diesem Haus. Der Botschafter hieß Graf Bernadotte, vermutlich ein Ahnvater des schwedischen Königshauses, was die Geschichte nicht weniger interessant macht. Er erdreistete sich nämlich, am Gebäude die neue, revolutionäre Fahne zu hissen, das blau-weiß-rot der Trikolore. Den Wienern gefiel das weniger gut, hatten die Revoluzzer in Frankreich doch die Tochter Maria Theresias, Marie Antoinette, hingerichtet. Man versuchte zunächst das Tor einzuschlagen, was jedoch nicht gelang. Daher verwendete man die Atlanten als Leiter, um die Trikolore herunterzureißen und zu verbrennen.
Aus diesem Grund heißt die nächste Querstraße, in die wir einbiegen, heute noch Fahnengasse. Über die Leopold-Figl-Gasse (von ihm wird später noch die Rede sein), kommen wir zur Herrengasse. Auch hier stehen die Palais in Reih und Glied. Auf Nummer 7 befand sich das Palais Modena, das schon im 16. Jahrhundert erbaut wurde. 1811 erfolgte aber eine Umgestaltung und heute sitzt das österreichische Innenministerium im herrschaftlichen Ambiente. Auch zum Beispiel das Finanzministerium sitzt im Stadtpalais des Prinzen Eugen von Savoyen. Kann man da vielleicht eine gewisse Symbolik finden? Von Herrschaft zu Herrschaft ...
Gerade gegenüber, auf Nummer 6-8, steht das erste Hochhaus Wiens. Es wurde 1933 gebaut und hat elf Stockwerke. Früher stand hier ein Haus aus dem 15. Jahrhundert, nämlich das Palais der Familie Liechtenstein. Am bekanntesten dürfte Bertha von Liechtenstein sein, die, nach einer unglücklichen Ehe, nach dem Tod ihres Mannes nur noch weiße Kleider trug. Vielleicht ist sie deshalb dazu verdammt, heute als "Weiße Frau" zu spuken. Sie erscheint immer kurz bevor die Familie Liechtenstein von einem wichtigen Ereignis betroffen wird.
Haus Nummer 9 wird nach den zwei Adelsfamilien, die es besaßen, Palais Mallard-Clary genannt. Aber das Interessanteste daran ist, dass im Flur eine Tafel mit der Geschichte des Hauses angebracht ist. Um 1250 errichtete Seifried von Mödling hier das erste Haus. 1327 zerstörte ein Brand zwei Drittel der Stadt Wien und auch dieses Gebäude. Auf dem ersten Plan der Stadt, aus dem Jahr 1547, ist das Haus eingezeichnet. Im Jahr 1563 kauft Peter von Mollard, Kämmerer von Kaiser Maximilian II, das Haus. 1695 lassen es die Mollards barockisieren. 1760 kauft Graf Clary das Palais und einige Jahre später trifft sich dort "die Tischrunde Kaiser Josefs II". Um 1880 wird das Haus saniert, sowie Heizung und Wasserleitungen werden eingebaut. Im 20. Jahrhundert wird das Haus unter anderem an die Königliche Bayerische Gesandtschaft vermietet. 1922 bis 1999 besitzt das Land Niederösterreich das Haus und unterhält ein Museum dort.
Heute ist es eine Außenstelle der Österreichischen Nationalbibliothek mit dem Esperantomuseum und dem Globenmuseum.

In dem Dreieckshaus an der nächsten Ecke finden wir wieder ein klassisches Wiener Kaffeehaus, das Café Central. Es befand sich ursprünglich - 1876 eröffnet - im Innenhof des Palais Ferstel, wurde aber nach seiner Wiedereröffnung im Jahr 1975 an die Außenseite desselben Hauses verlagert. Auch hier gab es Stammgäste mit klingenden Namen, allen voran vielleicht Peter Altenberg, der heute noch zeitunglesend gleich beim Eingang die Besucher begrüßt - natürlich nur als Kunstfigur. Altenberg war "impressionistischer" Schriftsteller und Bohemien. Sein Werk besteht aus Momentaufnahmen, die die Gesellschaft seiner Zeit beschreiben. Dennoch war er Zeit seines Lebens von "Spenden" seiner Freunde abhängig.

Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte das Lokal scherzhaft auch den Namen "Schachhochschule". Einer der bekanntesten Schachspieler war Herr Bronstein, der zwischen 1907 und 1914 in Wien lebte und der Welt als Leo Trotzki besser bekannt ist.
Alfred Polgar verfasste folgende Zeilen : "Das Central ist nämlich kein Caféhaus wie andere Caféhäuser, sondern eine Weltanschauung ... Die Gäste des Central kennen, lieben und geringschätzen einander."
Das Lokal imponiert durch die Höhe des Raumes, sowie durch seine Architektur. Die Einrichtung ist der Zeit der Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert nachempfunden und auch die Bilder von Kaiser Franz Joseph und seiner Sisi (auf dem Bild im Hintergrund links) tragen zu der speziellen Atmosphäre bei.

Wir verlassen das Kaffeehaus und gehen weiter durch die Leopold-Figl-Gasse bis zum Minoritenplatz.

Hier finden wir dann auch ein Abbild von Leopold Figl, diesem Staatsmann, der nach dem Zweiten Weltkrieg der erste österreichische Bundeskanzler war. Seine Radiorede von Weihnachten 1945 ist heute noch in Erinnerung: "Ich kann Euch zu Weihnachten nichts geben, ich kann Euch für den Christbaum, wenn ihr überhaupt einen habt, keine Kerzen geben, kein Stück Brot, keine Kohle, kein Glas zum Einschneiden. Wir haben nichts. Ich kann Euch nur bitten, glaubt an dieses Österreich!"
Nach 1953 wurde Figl Außenminister. Als solcher verhandelte er mit den Aliierten, die Österreich gevierteilt hatten. Und seine Ansprache vom 15. Mai 1955, vom Marmorsaal im Schloss Belvedere, ist wohl ebenso berühmt und vor allem viel positiver. "Österreich wird nunmehr als freier und souveräner Staat seinen Platz in der großen Framilie der Völker einnehmen ... Österreich ist frei!"
Die Minoritenkirche ist das dominierende Gebäude am gleichnamigen Platz. Die Minoriten sind Franziskaner. Sie kamen 1224 nach Wien. Sie führten Kirche und Kloster bis 1782, als Joseph II sie aussiedelte. Zwei Jahre später wurde sie zur italienischen Nationalkirche und Santa Maria Maggiore geweiht. Das ist sie heute noch.
Nach einem Brand wurde der Grundstein der heutigen Kirche von Ottokar Přemysl im Jahr 1275 gelegt. Damit war sie eine der ersten gotischen Kirchen im Osten vom heutigen Österreich. Als er ein paar Jahre später in der Schlacht vom Marchfeld gegen den Habsburger Rudolf I sein Leben verlor, wurde er hier aufgebahrt.
Die Turmspitze fiel in beiden Türkenbelagerungen (1529 und 1683) zum Opfer, sonst wurde an der Kirche bis zur Übernahme der Italiener wenig verändert. Dann allerdings wurden zahlreiche Umbauten durchgeführt. Ein riesiges Mosaik mit Leonardo da Vincis Abendmahl ist vielleicht die größte Sehenswürdigkeit.
Dieses Mosaik wurde von Napoleon bestellt, aber als es fertig war (die Arbeit dauerte acht Jahre), war Napoleon schon auf die Insel Elba verwiesen. Kaiser Franz I kaufte schließlich das Werk und ließ es hier aufhängen.
Ein Arkadengang führt einer Seite der Kirche entlang. An dessen Mauern kann man viele alte Grabsteine bewundern, die dort eingemauert sind.
Die ganze Umgebung der Minoritenkirche besteht aus diversen Palästen. Es ist aus Platzgründen unmöglich, auf alle genauer einzugehen. Die Bilder unten geben einen kleinen Auszug davon.
In der oberen Reihe finden wir links das Haus- Hof- und Staatsarchiv, das von Maria Theresia gegründet wurde, das sich heute allerdings im dritten Bezirk befindet. Rechts davon gibt es eine Außenstelle des Außenministeriums - für Europäische Integration.
Die untere Reihe zeigt das Palais Dietrichstein und daneben den Seiteneingang des Stadtpalais der Familie Liechtenstein. Letzteres ist noch immer Familienbesitz. Es ist ein Majoratshaus, das heißt, dass immer der nächste männliche Verwandte das Erbrecht darauf hat.


Ursprünglich wurde das Haus 1691 von Graf Kaunitz in Auftrag gegeben, aber schon 1694 kaufte Fürst Johann Adam I von Liechtenstein das Haus, obwohl es noch nicht fertig war. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude durch Bomben zerstört und auch dadurch, dass ein Flugzeug auf das Haus fiel. Es beherbergt heute Kunstschätze der Familie Liechtenstein, die jeden zweiten Freitag bei Führungen zu besichtigen sind.
Wir verlassen jetzt den Minoritenplatz und gehen ein Stück vor, zur Bankgasse. Gleich vor uns liegt die Ungarische Botschaft, die hier ihren Hof hält - in zwei früheren Palais, die heute aber zusammengebaut sind. Wir biegen rechts ab, wo noch zwei Häuser unsere Aufmerksamkeit erfordern. Zunächst noch ein Palais, das Herrenhaus der Familie Batthyany. Hier wohnte die Witwe des Feldmarschalls Batthyany, die "schöne Lori". Sie war die einzige Frau, an der Prinz Eugen von Savoyen, der Befreier von der Türkengefahr, Gefallen fand. Er hatte selbst schon seine besten Jahre gesehen, aber er fuhr abends öfter zu der Witwe, um mit ihr Whist zu spielen.
Das war nun kaum skandalös, aber etwa zweihundert Jahre später kam es zu einem handfesten Skandal in diesem Haus. Man hatte einen Teil in ein Hotel umgebaut, das Hotel Klomser. Dort wohnte Oberst Redl. Er war Generalstabsoffizier und im militärischen Nachrichtendienst tätig. Nun war Oberst Redl auch homosexuell und konnte damit erpresst werden. Ob das der Fall war, oder ob Redl nur habsüchtig war, wird diskutiert. Es wird behauptet, dass Russland, Italien, Serbien und Frankreich im Besitz der österreichischen Mobilmachungspläne für den Kriegsfall waren. Man kann nur spekulieren, was das im Ersten Weltkrieg für Folgen hatte ... Man kam ihm letztendlich im Mai 1913 auf die Schliche und statt ihn zu verhaften, gab man ihm eine Waffe und ließ ihn in seinem Zimmer im Hotel Klomser allein. Redl blieb nicht viel Wahl; er beging Selbstmord. Das Militär und der Geheimdienst versuchten auf diese Art, die Sache zu vertuschen. (Das geschieht wohl überall, wenn Militär und Geheimdienst involviert sind.)
Man teilte dem Kaiser nur mit, dass Redl Selbstmord begangen hatte. Aufgedeckt wurde dieser Skandal von dem Schlosser, den man brauchte, um verschlossene Dinge, wie zum Beispiel den Schreibtisch, zu öffnen.

Eine ebenso schlimme Geschichte ereignete sich im Haus gegenüber, dem "Haus der fünf Morde". Das allerdings geschah schon im Jahr 1500. Ein Bäckergeselle aus Regensburg hatte hier bei einem Meister sein Auskommen gefunden. Aber er blieb nur fünf Wochen lang, dann ging er wieder auf Walz. Eines Nachts aber kam er zurück und erschlug zuerst den Knecht und die Magd, darauf den Bäcker selbst und dessen Frau. Er raffte zusammen, was er an Wertgegenständen tragen konnte und war schon auf dem Weg hinaus, als plötzlich die siebenjährige Tochter vor ihm stand und um ihr Leben bat. Es half ihr nichts - er erschlug auch sie. Danach ging er nach Regensburg zurück, wo er verschwenderisch lebte.

Das fiel auf und er wurde verhaftet. Im Verhör legte er ein Geständnis ab und wurde nach Wien geschickt, wo er für seine grausame Tat auch grausam bestraft wurde. Man schnitt ihm die Finger ab, schleifte ihn hinter einem Pferd durch alle fünf Märkte und pfählte ihn schließlich.

Nach dieser schrecklichen Geschichte finden wir uns in der Herrengasse wieder, gerade gegenüber dem Palais Ferstel. Es ist nicht nach seinem Besitzer, sondern nach seinem Erbauer, Heinrich Ferstel, benannt, der diesen Komplex in den Jahren 1856 bis 1860 erschaffen hatte.

Das Gebäude beherbergte mehrere Einrichtungen und kann wohl als die erste Einkaufsgalerie bezeichnet werden, wie wir sie von heute kennen. Zunächst war die Österreichisch-Ungarische Nationalbank hier angesiedelt, daher auch der Name der gegenüber liegenden Bankgasse, durch die wir gekommen sind. Weiters befand sich die Börse hier, sowie diverse Geschäfte.
Im glasüberdachten, sechseckigen Hof finden wir den hübschen Donaunixenbrunnen, ebenfalls von Ferstel, dessen Säule aus gut vier Tonnen Bronze gegossen wurde. Weitere Sehenswürdigkeiten sind die Treppe mit dem Marmorgeländer und die hier und dort angebrachte Schmiedeeisenkunst.
Während Börse und Bank verschwunden sind, gibt es heute noch immer die Auslagen vieler Luxusgeschäfte. Das Palais ist ein Durchhaus oder eine Passage, die von der Herrengasse zur Freyung führt. Die Freyung ist einer der größten und ältesten Plätze von Wien.
Die Freyung wird von der Schottenkirche und dem anschließenden Schottenkloster dominiert. Interessanterweise hat es in dieser Gegend nie Schotten gegeben, sondern die Bezeichnung kommt von den irischen Mönchen, die der Babenberger, Herzog Heinrich Jasomirgott, im Jahr 1155 nach Wien holte. Es müsste also Irenkirche, beziehungsweise Irenkloster heißen. Als Entschuldigung für die falschen Namen mag gelten, dass Irland zu dieser Zeit als "Scotia minor" bezeichnet wurde, also ungefähr "Klein-Schottland". Über dem hofseitigen Eingang zum Kloster steht heute die Inschrift "Henricus Austriae Dux fundavit MCLV", also eben, dass Heinrich, Herzog von Österreich, (das Kloster) 1155 gründete. Interessant ist, dass Heinrich wohl hellseherisch begabt war, nachdem er in der Inschrift schon das Wort "Dux", also Herzog verwendete, obwohl er damals noch Markgraf war und erst im Jahr darauf den Herzogstitel erhielt.
Heute befindet sich ein Museum im Schottenkloster, das Exponate aus den Sammlungen der Abtei zeigt. Das wichtigste Stück ist wohl der Flügelalter von 1469, vom "Meister des Wiener Schottenaltars".
Dessen Mittelstück zeigt die Flucht nach Ägypten, hat aber im Hintergrund auch ein detailliertes und topographisch richtiges Bild der Stadt Wien. An der Außenseite der Kirche ist ein Denkmal dem Stifter geweiht, also Herzog Heinrich Jasomirgott. Schließlich bleibt noch zu erklären, warum det Platz Freyung heißt, hieß er doch ursprünglich "zu den Schotten". Aber die Mönche hatten das Recht, Asyl zu geben, sodass die Gerichte der Stadt niemand belangen konnten, so lange man sich im Kloster aufhielt. Die Parallele zum heutigen Tag, mit Wikileaks-Gründer Julian Assange und dem "Whistleblower" Edward Snowdon, sticht in die Augen.
In der Mitte des Platzes finden wir wieder einen Brunnen, den Austriabrunnen. Die Dame an der Spitze symbolisiert Österreich, während die Figuren unterhalb Allegorien von vier Flüssen darstellen, nämlich Donau, Weichsel, Po und Elbe. Diese vier Flüsse entwässern auch in vier verschiedene Meere - in das Schwarze Meer, die Ostsee, die Adria und die Nordsee. So gesehen zeigen sie die Einflusssphäre des österreichischen Imperiums im Jahr 1846, als diese Figuren gegossen wurden. Es war der Münchner Bildhauer Ludwig Schwanthaler, der die Figuren entworfen hat.
Hierzu gibt es auch noch eine Geschichte. Vor dem Versand ließ Schwanthaler das Innere der Figuren voll mit Zigarren packen, die er auf diese Art nach Österreich schmuggeln wollte. Leider war er krank, als der Brunnen aufgestellt wurde und konnte seine Fracht nicht abholen. Auch wenn sie bei einer Restaurierung nicht gefunden wurden, bedeutet das nicht, dass sie nicht inzwischen in Rauch aufgegangen sind ...
Im Bild links sehen wir das Gebäude einer Bank, wo über einem Seiteineingang noch der Sitz des Verwaltungsgerichtshofes vermeldet wird. Aber dieser befindet sich heute am Judenplatz. Anstelle der Bank befand sich hier das Wirtshaus "Zum goldenen Strauß". In diesem Lokal brach 1721 die Schusterrevolte aus. Die Schustergesellen verprügelten ihre Meister und plünderten. Der Aufstand wurde niedergeschlagen, aber man kam einigen Forderungen der Gesellen nach.
Heute unterhält die Bank hier ein Kunstforum, in dem verschiedene Ausstellungen stattfinden.
Wir werfen auch einen Blick auf das Palais Kinsky, auf Nummer 4 der Freyung. Lucas von Hildebrandt erbaute das Haus zwischen 1713 und 1716 - aber zunächst für den Feldmarschall Graf Daun. Erst 1784 kam es in den Besitz der Familie Kinsky. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die englischen Besatzer hier einen Offiziersklub eingerichtet. Heute gehört das Haus Karl Wlaschek, einem Selfmademan, der 1945 als Barpianist begonnen hatte und via einer Parfümerie die Lebenmittelkette BILLA gründete. Diese verkaufte er 1996 um mehr als eine Milliarde Euro und stieg auf das Immobiliengeschäft um. Damals war er immerhin schon 79 Jahre alt.
Aber vor zwei Jahren, mit 95, heiratete er zum fünften Mal. Ein Ausspruch von ihm ist: "Beim Gschäft bin i guat, bei de Weiber bin i a Depp". Heute ist Karl Wlaschek der drittreichste Österreicher. Kein Wunder, dass er sich ein paar Extravaganzen leisten kann. Im zweiten Hof des Palais Kinsky ließ er das Wlaschek-Mausoleum bauen. Das ist in Wien möglich, wenn das Gebäude mehr als 2000 Quadratmeter hat. Dort sind seine Eltern begraben, wie auch seine vierte Ehefrau.
Im Bild links sehen wir den ersten Innenhof, wo zwei Restaurants den Hunger der Touristen besänftigen. Aber auch im Inneren ist das Palais den einen oder anderen Blick wert. Schon allein die Skulpturen in dafür vorhergesehenen Nischen fangen die Aufmerksamkeit des Besuchers. Sie stammen, wie vermutlich auch diejenigen an der Außenseite, von Joseph Kracker. Es ist egal, ob es dabei um den Lüstling Pan geht, mit der nach ihm benannten Flöte, oder um Syrinx (ein anderer Name der Panflöte ist ja eben Syrinx), die vor ihm flieht.
Ovid beschreibt die Szene in seinen Metamorphosen so: "Syrinx ... hebt in Abwehr beide Hände und wendet sich mit erschrockenem Gesichtsausdruck zu ihrem Verfolger um. Sie wird im nächsten Augenblick in Schilf verwandelt, gerade als Pan sie erreicht und nach ihr greift. Aber er hält nur einige Stangen Schilf in den Händen, aus denen er dann seine Flöte bastelt.

         

Oder ob Apoll dort mit seiner Leier steht und zusieht, während er an Daphne denkt, der er ein ähnliches Verwandlungsschicksal bereitet hat.
Aber nicht allein die Statuen imponieren, ein Blick auf die Prunktreppe verdeutlicht ohne Zweifel den Begriff Schönheit.

Auf der Freyung wäre auch noch das Palais Harrach zu erwähnen, dessen Ahnen ins 15. Jahrhundert zurückgehen und in dem heute Büros und Geschäfte untergebracht sind.
Wir gehen jetzt jedoch weiter, zu dem Haus, an dessen Ecke ein Reiter mit einem Säbel zu sehen ist. Beim Näherkommen entdecken wir, dass es sich um einen Türken handelt. Der Platz heißt auch ganz richtig "Heidenschuss" und daran knüpft sich wieder eine Sage. Es geschah während der ersten Türkenbelagerung, 1529. Die Belagerung führte auch nach langer Zeit zu keinem Ergebnis, deshalb wollten die Türken von außerhalb der Stadtmauer einen Tunnel graben und dann das Haus hier in die Luft sprengen. In Wien bekam man aber Wind von der Sache und ließ in den Häusern nahe der Stadtmauer im Keller wassergefüllte Fässer aufstellen. Kleine Bewegungen des Wassers würden darauf hindeuten, dass dort gegraben wurde. Tatsächlich entdeckte der Bäckergeselle Josef Schulz eines Tages, dass sich die Oberfläche des Wassers kräuselte.
Man grub daher einen Gegentunnel und konnte die Türken überraschen und abwehren.
Eine Tafel am selben Haus besagt, dass bis zum Jahr 1456 der Alsbach durch diese Gasse (Strauchgasse) und den Tiefen Graben der Donau zufloss.

In der Bognergasse kommen wir am "Schwarzen Kameel" vorbei, heute ein Restaurant, damals, als es 1618 gegründet wurde, war es eine Delikatessenhandlung. Sie hatte aber nichts mit Kamelen zu tun, sondern der Gründer hieß Johann Baptist Cameel.

Ein Nachkomme, Georg Josef, war Apotheker und Botaniker. Die Kamelie hat ihren Namen nach ihm.
Am Ende der Gasse sehen wir rechts den Kohlmarkt und schief vor uns den Graben. Bevor wir aber weitergehen, werfen wir einen Blick in die Höhe. Dort sehen wir ein Pferd mit Reiter in luftiger Umgebung. Der Volksmund behauptet, dies sei der Polenkönig Sobieski, der hinüberblickt auf den Kahlenberg, wo er die entscheidende Schlacht gegen die Türken gewann, als er Wien von der Belagerung befreite. Die Wahrheit ist etwas banaler. In dem Haus befand sich früher ein Geschäft mit dem Namen "Zum Husar" und der Reiter ist ein gewöhnliches Markenzeichen.
Wir überqueren jetzt die Tuchlauben und biegen auf den Graben ein. Wie der Name besagt, war dies schon in der Römerzeit der Stadtgraben. Diese Funktion behielt er bis ins Mittelalter. Erst unter Herzog Leopold VI wurde er aufgefüllt.
Dazu verwendete man einen Teil der Lösensumme, die man für Richard Löwenherz bekommen hatte. Dieser englische König hatte in Jerusalem auf einem Kreuzzug Österreicher und Franzosen betrogen, wurde auf der Rückreise aber in der Nähe Wiens gefangen.
Im 18. Jahrhundert war der Graben zur vornehmsten Einkaufsstraße in Wien geworden. Schon damals stand dort die Pestsäule, der überragende Blickfang der Straße. Die Säule ist der Dreifaltigkeit gewidmet und steht hier als Dank dafür, dass die Pest in Wien 1679 abgeklungen war. Kaiser Leopold I hatte gelobt, eine solche Säule zu errichten. Anfangs nur eine einfache Holzsäule, wurde die heutige im Jahr 1693 von mehreren Baumeistern und Bildhauern aufgestellt.
Wir passieren die Pestsäule und gehen noch ein Stück vor, um wieder am Stephansplatz zu landen, wo wir unsere Wanderung begonnen haben.

© Bernhard Kauntz, Västerås, Schweden, 2014


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