Der alte Palast am Coudenberg
Das flämische Coudenberg bedeutet "kalter Berg", aber es gab schon mittelalterliche, lateinische Bezeichnungen, die "frigidus mons" lauteten und genau dieselbe Bedeutung hatten. |
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Heutzutage legt man weniger Wert auf sprachliche Details. Was die Verantwortlichen zur Bezeichnung "Unterirdischen" gebracht hat, bliebe wohl ein Rätsel, hätte man nicht die englische Version daneben. Mich ärgert so etwas immer - wenn Bürokraten, die meistens selbst nichts können, es nicht einmal der Mühe wert finden, jemand zu suchen, der die respektive Sprache wirklich kann und diverse Verzapfungen kontrolliert.
Was heute zu sehen ist, wird als Palast Karl V vermarktet. Das ist aber eine Wahrheit mit Abstrichen. Zur Zeit Karl V war der Palast schon ein paar hundert Jahre alt. Allerdings fallen der Neubau der Kapelle und der Bau der Galerie in die Epoche dieses Regenten.
Der flämisch-französische Text am Haus gegenüber kommt der Sache ein wenig näher. "Hier stand der Palast der Herzöge von Brabant, erbaut etwa um 1200, durch einen Brand am 3. Februar 1731 vernichtet".
Interessanterweise bezeichnet man hier den Kaiser mit der deutschen Bezeichnung als Karl V, obwohl Brüssel damals zu den spanischen Niederlanden gehörte und der Kaiser dort als Carlos I gehandelt wurde. Aber das kommt wahrscheinlich daher, dass die Brüsseler schon vorher unter österreichischer Regentschaft gestanden hatten, als Maria von Burgund Maximilian I von Habsburg als vorläufigen Regenten und als Vormund für ihren gemeinsamen Sohn einsetzte. Philipp der Schöne wurde dann König von Kastilien, daher wurden aus dem Burgunderreich die spanischen Niederlande. Karl V folgte seinem Onkel auf dem spanischen Thron.
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Er wurde, als Enkel von Maximilian, wohl im Rest von Europa als Österreicher gesehen (außer möglicherweise in Deutschland, wo man glaubt, dass alle österreichischen Kaiser Deutsche waren ...). Zu Brüssel hatte er außerdem eine besondere Beziehung. Er wurde in Gent geboren, wuchs aber am Hof seiner Tante Margarete in Brüssel auf. Margarete von Österreich war eine Tochter von Maximilian I und Statthalterin der Niederlande. Karl wurde als Fünfzehnjähriger in der Aula Magna (siehe weiter unten) großjährig gesprochen und ebenda schrieb er vierzig Jahre später seine Abdankungserklärung.
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Aber natürlich war er der erste Karl als spanischer König, sogar der erste König, der die Königreiche Kastilien und Aragon vereint regierte.
Doch nun schnell zurück zum Palast: Wer glaubt, hier große Schätze und prächtige Bauten zu sehen, der irrt. Hier zeigt man nur die archäologischen Reste der alten Palastgebäude, die man seit den Neunzigerjahren des vorigen Jahrhunderts wieder ausgegraben hat. Nachdem das Gelände nach dem großen Feuer von 1731 etwa vierzig Jahre lang brach lag, begann man unter Oberaufsicht von Prinz Starhemberg, Maria Theresias Minister in Brüssel, mit den Aufräumearbeiten. Man füllte die hügelige Landschaft so auf, dass eine ebene, quadratische Fläche entstand, wo man neue, imposante Gebäude errichtete. Die Reste des alten Palastes wurden zugeschüttet oder als Keller verwendet. Die Kapelle, von der Teile noch über dem Erdboden lagen, wurde abgerissen.
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Man betritt das unterirdische Museum dort, wo früher das Hauptgebäude lag. Das sind die ältesten erhaltenen Teile, teils noch aus dem 12. Jhd. (siehe Bild oben).
Am Anfang befand sich am Coudenberg eine Festung, die im 13. Jhd. ein Teil der ersten Stadtmauer Brüssels wurde. Wie das antike, griechische Theben hatte diese Stadtmauer übrigens sieben Tore. Aber schon Mitte des nächten Jahrhunderts baute man eine zweite, viel größere Stadtmauer, weil die Stadt gewachsen war.
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Man wollte auch im Fall einer Belagerung landwirtschaftliche Flächen innerhalb der Stadt haben. Damit verlor die Festung allerdings an Bedeutung. Andererseits war dies eine Gegend, wo traditionsgemäß die Regenten wohnten, daher wundert es kaum, dass die Herrscher weiterhin hier ihre Behausungen bauten. Den Anfang machte Herzogin Jeanne, die zwischen 1362 und 1368 die Festung ausbaute, sodass sie nicht mehr primär der Verteidigung dienen sollte, sondern eher einem Palast glich.
1431 erfolgte der nächste, größere Ausbau der Residenz der Herzöge unter Baumeister Gilles Joes. Im Bild links sieht man ein Kellergewölbe aus dieser Zeit. |
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1452 folgte der Bau der Aula Magna, ein Prachtbau, der ein kleineres Festsaalsgebäude ersetzen sollte. Im Baukontrakt verband sich Stadtbaumeister Guillaume de Vogel, das Werk in nur acht Jahren vollendet zu haben. Der Festsaal konnte in drei Teile abgegrenzt werden, sodass man bei zeremoniellen Gelegenheiten die Gäste, je nach Stand, mehr oder weniger auf Distanz halten konnte ...
Links sehen wir einen Teil des Fußbodens aus dem Festsaal, der in den Keller gerutscht ist. Im Hintergrund sieht man eine Stiege, die zum nordöstlichen Turm der Aula Magna führte.
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Die Kapelle bestand schon im Jahr 1384, als Jan van Woluwe den Auftrag bekam, sie zu bemalen. 1522 wurde jedoch eine neue Kapelle am selben Platz gebaut, nämlich als Eckstück, das die Aula Magna mit dem Hauptgebäude verband. 1536 trug ein starker Sturm das Reetdach der Kapelle ab. Man deckte das Dach nochmals mit Schilf, aber schon drei Jahre später war es zum Teil vermodert und die Kapelle wurde im dritten Anlauf mit Holz bedacht.
Im Keller sind achteckige Stützpfeiler zu sehen, die zu ebener Erde die Säulen der Kapelle trugen. Das Gebäude war vom großen Brand nicht betroffen, wurde aber bei den Räumungsarbeiten abgerissen, während die unteren Teile später als Kellerarchiv verwendet wurden.
Die roten Markierungen auf den Bildern sind mit Zahlen beschriftet, die ihrerseits auf die Erklärungen hinweisen, die auf dem Gratisblatt verzeichnet sind, das man beim Eingang bekommt und das man als Führer verwenden kann.
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Zu jedem Gebäude gibt es außerdem noch Tafeln mit weiteren Erklärungen, sodass man die Besichtigung ohne Schwierigkeiten allein durchführen kann. Man kann allerdings auch einen Audioguide (auf Englisch) mieten.
Am Anfang des 17. Jhd. wurde neben der Kapelle und der Aula Magna eine Straße errichtet, die Rue Isabelle, um so eine direkte Verbindung vom Palast zur Domkirche St. Michael und Gundula zu schaffen. Diese befand sich anfangs unter freiem Himmel, wurde aber später überdacht (Bild rechts).
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Auf dem Bild oben stehen wir auf der Rue Isabelle, vor dem nordwestlichen Turm der Aula Magna. Links davon befindet sich eine Stiege, über die man zwischen Kapelle und Aula Magna auf den Hof kommen konnte.
Am anderen Ende des Hauptgebäudes wurde 1533 eine Galerie erbaut. Sie steht auf dem Grund der ersten Stadtmauer und befindet sich daher auf heutigem Straßenniveau. Ein Arkadengang im Erdgeschoß trug zunächst nur ein Stockwerk, wo der Hof die privaten Feste feierte.
Anfang des 17. Jhd. wurde ein weiteres Stockwerk aufgebaut. In den Arkadenbögen standen Statuen der römisch-deutschen Kaiser, also im Prinzip der Habsburger ...
Gleichzeitig wurde das Hauptgebäude aufgestockt, in dem sich bisher die Apartements des Herzogs im ersten und die der Herzogin im zweiten Stock befunden hatten.
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Dann kam die schlimme Nacht des 3. Februar 1731, als der Palast im Feuer unterging. Die offizielle Version besagte, dass ein Koch in der Küche nicht vorsichtig genug war, als er Zucker melassierte. Tatsache ist jedoch, dass das Feuer in den Zimmern der Statthalterin Maria Elisabeth von Habsburg ausgebrochen war ... Aber eine Kaiserstochter (Leopold I) kann doch nicht an einem Brand schuld sein?
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In der gotischen Galerie ist auch die Statue eines Apostels aus dem 15. Jhd. ausgestellt. Leider weiß man nicht, wen sie darstellen soll. (Wie kann man dann wissen, dass es ein Apostel ist?)
Im Anschluss an die Galerie befindet sich ein Museum mit Fundstücken, auf die man bei den Grabungen gestoßen ist. Hier gibt es alle möglichen Dinge, von Kacheln angefangen über diverse Trink- und andere Gefäße, bis zu Bürsten und Kämmen und kleinen Gipsfiguren oder Büsten. Vieles ist kaputt, zum Teil aber wieder mühsam zusammengeklebt worden. Alles zusammen gibt natürlich einen Eindruck vom Gesellschaftsleben vergangener Jahrhunderte, wenn man mit Gesellschaftsleben ein paar hundert Leute der Oberschicht meint.
Es gibt auch einige Film- beziehungsweise Diabildprojektionen, die verschiedene Nebenaspekte des Palasts und seiner Bewohner zeigen. Nicht zuletzt soll hier die Diashow über die Parks des Palastes erwähnt werden.
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Ein großes Plus verdient auch die unterirdische Beleuchtung der einzelnen Räume, die nicht nur den Ansprüchen der Helligkeit vollkommen genügt, sondern auch effektvoll platziert ist. Wenn man ein Stück Geschichte sehen will, ist eine Besichtigung auf jeden Fall empfehlenswert.
Copyright Bernhard Kauntz, Wolvertem 2009
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