Onze-Lieve-Vrouw-Van-Bijstand-Kirche in Brüssel


Schon die Fassade über dem Eingangsportal zieht die Blicke auf sich. Zunächst die Statue der Madonna mit dem (ziemlich trotzigen) Kind auf dem Arm. Dem Trotz zum Trotz ist das steinerne Antliz Marias voller Güte. Diese Statue ist allein schon ein Kleinod an sich. Leider ist das kleine Foto nur ein schwacher Ersatz für das Original.

Unter der Statue befindet sich das Wappen von Karl (Alexander) von Lothringen und Bar, der in der Zeit von 1744 - 1780 Gouverneur der österreichischen Niederlande war. Diese umfassten ungefähr das Gebiet des heutigen Belgiens. Karl war ein jüngerer Bruder des deutsch-römischen Kaisers Franz Stephan von Lothringen, dem Gatten der Maria-Theresia von Habsburg, (de facto) Kaiserin von Österreich. In Karl von Lothringens Wappen befindet sich auch das Kreuz des Deutschritterordens, in dem er Großmeister war.

Doch die Geschichte der Kirche ist viel älter als Karl von Lothringen oder sogar die österreichischen Habsburger. Schon im 12. Jhd. gab es hier eine Kapelle im Anschluss an ein Krankenhaus. Diese Kapelle war dem Hl. Jakob gewidmet und beherbergte Pilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela in Spanien. Das ist ganz logisch, denn Santiago bedeutet nämlich "Sant Iago", also Sankt Jakob. Mit der Zeit nahmen die Pilgerfahrten aber ab und die Kapelle führte nur mehr ein Schattendasein. Am Anfang des 16. Jhd. war Jacques Meeus einer der Leiter des Krankenhauses, der die Kapelle seines Namensvetters wieder aufleben ließ. Er tat dies dadurch, dass er einen Marienkult einführte, mit der Erzherzogin Isabella als erstem Mitglied. Sie war Statthalterin von 1621 - 1633. In der zweiten Hälfte des 17. Jhd. wurde die Kapelle jedoch zu klein und man erbaute die heutige Kirche, in der ab 1670 Gottesdienste verrichtet wurden. Die Kirche wurde allerdings erst 1694 vollendet, ein Jahr bevor die Franzosen unter de Villeroy, Marschall von Ludwig XIV, Brüssel und auch die Kirche zerstörten.
Sie wurde dann beim allgemeinen Wiederaufbau Brüssels zwischen 1696 - 1699 ebenfalls wieder neu errichtet.
Was beim Eintritt sofort auffällt, ist eine orthodoxe Ikone, die an der Seite des Mittelganges steht. Sie sieht ein bisschen fremdländisch aus - aber das ist vermutlich nur eine Gewöhnungssache. Außerdem ist es nicht mehr als billig, dass man ein Gotteshaus auch für andere Glaubensgemeinschaften - noch dazu derselben Religion - zur Verfügung stellt.
Auch die großflächige Glasmalerei an den Fenstern ist bemerkenswert.

Der Hauptaltar, der aus Marmor und bemaltem Holz war, wurde von Jean-Pierre Baurscheit aus Antwerpen konzipiert und im Jahr 1705 ausgeführt, wurde aber genau hundert Jahre später abgeändert und Mitte des 19. Jhd. durch den heutigen ersetzt. Über dem Hauptaltar gibt es eine Maria-Hilf-Statue aus Eichenholz, aus dem 14. Jhd. In der rechten Hand hielt sie ursprünglich eine Weintraube, die aber heute verschollen ist. Warum man sie heute "eingekleidet" hat, weiß ich nicht. Der Umhang mag zwar schön sein, aber er verbirgt auch das Original.

Die beiden Altarbilder, die von Engeln getragenen Reliefs, stellen die Eltern der Gottesmutter dar, was für mich insofern überraschend ist, weil ich bisher noch nie etwas von Marias Vater gehört habe. Die Bilder werden dem Bildhauer G.L. Godecharle aus Brüssel zugeschrieben.

Die beiden recht einfachen Seitenaltäre stammen aus dem 20. Jhd. und sind dem heiligen Jakob und dem heiligen Joseph gewidmet.

Es gibt 4 Beichtstühle im Stil Ludwig XIV in der Kirche, die nach den Originalzeichnungen aus dem Jahr 1727 Mitte des 19. Jhd. nachgebaut wurden. Über jedem gibt es runde Holzreliefs mit Darstellungen biblischer Personen.
Die einfache Kanzel aus Eichenholz, im Stil von Ludwig XV, stammt aus der Mitte des 18. Jhd. und wurde aus der Kirche der barfüßigen Karmeliter hierher gebracht.

Der Unterschied zwischen den Stilepochen von Louis XIV und Louis XV ist minimal und sehr fließend. Beide gehören dem Hochbarock an, wenngleich sich während der Regierungszeit von Ludwig XV schon erste Anzeichen des Rokoko bemerkbar machen.

Was sonst noch auffällt, ist, dass der Grundriss der Kirche sich nicht mehr am Kreuz orientiert, sondern eher eine runde Form angenommen hat. Auch die Kuppel weist auf den barocken Einfluss hin, wohingegen die innere Ausgestaltung der Kirche bei weitem nicht so üppige und manchmal übersteigerte Formen angenommen hat, wie in südlicheren Ländern. Das sehen wir nicht zuletzt, wenn wir einen Blick auf die Orgelempore über dem Eingang werfen.



Copyright Bernhard Kauntz, Wolvertem 2008


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