DAS HAUS
DER GESCHICHTE

1955 - 1963:
Kalter Krieg und Vertiefung der Teilung


Die Motorisierung in Deutschland war nicht aufzuhalten. Jeder wollte ein Auto besitzen. Allerdings konnte sich nicht jeder das Auto leisten, das er am liebsten haben mochte. Daher lagen die Kleinwagen im Trend. Von Messerschmitts Kabinenroller wurden in den kommenden Jahren 40.000 Exemplare produziert. Aber auch andere Kleinstwagen, wie das Goggomobil oder der Isetta von BMW hatten Saison. Wer sich trotzdem kein Auto leisten konnte, fuhr vielleicht mit einem Motorrad durch die Gegend, auch Beiwagen waren denkbar - oder auch der neue Roller aus Italien, die Vespa. Und wenn sonst gar nichts ging, dann tat es auch das Fahrrad.
Allerdings gab es das auch schon damals mit Hilfsmotor. Unsere trendigen E-Fahrräder von heute sind also auch nicht neu unter der Sonne.
International gesehen wurde die Welt von Krisen geschüttelt. Im Museum sieht man eine symbolische Weltkugel. Im Inneren sind Monitoren angebracht, die von den verschiedenen Krisenherden authentische Filme zeigen. 1956 wurde die Freiheitsbewegung in Ungarn von den Sowjets blutig niedergeschlagen. Trotz kräftiger Proteste beschloss der Bundestag, dass in Deutschland Raketen mit atomaren Sprengköpfen platziert werden durften.
Im Jahr darauf konnte die Sowjetunion den ersten Satelliten, Sputnik 1, ins Weltall senden. Statt dass sich die Welt gemeinsam über den technischen Erfolg freute, polarisierten die westlichen Medien das Ereignis. Außerdem schürte man die Angst, dass nun russische Raketen amerikanischen Boden erreichen könnten, auch wenn man in den USA durch ihre diversen Spionageflüge sehr wohl wusste, dass das nicht der Fall war.
Am fünften Parteitag der SED wurden die zehn Gebote der sozialistischen Moral und Ethik verkündet. Abgesehen von patriotischen Sprüchen, gab es Einiges, das ich durchaus auch befürworten kann. Zum Beispiel: "Du sollst helfen, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zu beseitigen." Das wäre heute noch weltweit wichtig. Oder: "Du sollst das Volkseigentum schützen und mehren." Wenn ich an all den sinnlosen Vandalismus denke, dem wir hier überall begegnen ... Auch dass man versuchen soll seine Leistung zu verbessern und dass man seine Kinder im Geiste des Friedens erziehen soll - all das unterschreibe ich auch. Natürlich gibt es dann immer einen Unterschied zwischen Theorie und Praxis, aber an den Ideen ist nichts falsch. Auch bei der Gleichberechtigung der Frau setzte man frühe Zeichen. Im Westen behauptete man, dass dies zur Doppelarbeit der Frau führte, aber war es im Westen anders, als die Frauen auch hier berufstätig wurden?
Das nächste Großereignis im Kalten Krieg geschah 1960, als die Sowjetunion über ihrem Territorium ein U-2 Spionflugzeug der USA abschoss. Der Pilot, Francis G. Powers konnte sich retten, wurde aber in der Sowjetunion als Spion angeklagt. Zwei Jahre später entdeckte eine andere U-2 Maschine, dass die Sowjetunion auf Kuba Raketenabschussrampen installiert hatte. Die Welt balancierte damals wirklich am Rand eines Atomkrieges.
Ich war damals als Vierzehnjähriger in einem Internat und ich erinnere mich heute noch an die Ansprache, die der Direktor in der Aula vor den versammelten Zöglingen hielt. Es endete noch glimpflich, damit, dass die Sowjetunion die Rampen zurückzog, während die USA ihre aus der Türkei abziehen musste. Jedoch wieder einmal machte die Westpresse nur von der Installation der sowjetischen Rampen ein Eklat.
In der DDR hatte das sogenannte Chemieprogramm insofern Erfolg, als man mit Plastikgegenständen den Mangel an Konsumwaren verbessern konnte. Von der Gießkanne bis zum Radio wurden viele Dinge aus Plastik hergestellt.
Ein Programm, das zum Misserfolg wurde, war der "Bitterfelder Weg". Dieser wollte die Arbeiter der Kunst näher bringen und die Künstler näher an die Produktion. Der zweite Teil gelang besser, wenigstens was die Propaganda in der Malerei betraf. Als Beispiele mögen zwei Bilder dienen: das erste wurde von Willi Schestak gemalt und zeigt eine vor Gesundheit strotzende, forschrittliche (weil kollektivisierte) Bäuerin. Das zweite Bild, von Karl Papesch, ist noch deutlicher. Es heißt: "Wir siegen mit dem Plan". Gemeint ist natürlich der Fünfjahresplan.
Völlig verfehlt war auch die politische Verfolgung Andersdenkender. Jemand wegen seiner politischen Ansichten zu inhaftieren, muss immer der falsche Weg sein. Oder? Wie steht es mit Guantanamo? Ist es besser, die Leute als Terroristen zu brandmarken, um sie nachher ausrotten zu können, wie wir es heute in Afghanistan erleben. Oder wie gegen Al Quaida oder den IS vorgegangen wird ... Ich gebe zu, dass das äußerst schwierige Fragen sind - doch man kann nicht auf der einen Seite verdammen, es auf der anderen Seite aber selbst noch ärger tun.
Trotz aller positiven Propaganda im Land liefen die Leute weiterhin aus der DDR weg in den Westen. Insgesamt waren es nahezu drei Millionen. 1957 wurde die "Republikflucht" strafbar. Am 13. August 1961 griff man zu einer tragischen Lösung - man baute die Mauer. Die Westwelt war empört. Viel empörter als sie heute ist, wenn Israel ebensolche Mauern baut.
Aber der Mauerbau war nicht nur eine politische Maßnahme, sondern in höchstem Grad auch ein sozialer Eingriff in das Leben der Bevölkerung.
Das Unmenschliche am Mauerbau kann sich jeder vorstellen, wenn er annimmt, dass die Stadt oder das Dorf in dem er wohnt, durch eine Mauer in zwei Teile geteilt wird. Wieviele Verwandte, Bekannte, Arbeitgeber, Läden und Geschäfte würden sich in der anderen, abgeschnittenen Hälfte befinden?
Noch tragischer ist selbstverständlich der Tod von mindestens 136 Menschen, die bis 1989 auf der Flucht nach Westberlin ihr Leben lassen mussten.
Auch auf die Westberliner wirkte die Mauer beängstigend. Man fühlte sich logischerweise noch mehr eingesperrt und nicht zuletzt von der Westwelt ausgeliefert, weil außer Protesten keine Aktionen stattfanden. Aber was hätte denn geschehen sollen? Sollte der dritte Weltkrieg entfacht werden? Zwei Jahre später schmierte John F Kennedy höchstpersönlich Honig um die Mäuler der Westberliner - allerdings benötigte er für den einzigen deutschen Satz, den er sprach, einen Zettel mit der englischen Aussprachehilfe darauf: "Ish bin ein Bearleener."
Auch der Westen trug dazu bei, die Kluft zwischen den beiden Deutschland zu erweitern. 1957 unterzeichnete die BRD die römischen Verträge zusammen mit Italien, Frankreich, Großbritannien und den Beneluxländern. Diese führten zur Bildung der EWG (Europäische Wirtschaftgemeinschaft) und heute schließlich zur Europäischen Union. Aber die BRD war nun so stark an den Westen gebunden, dass eine Wiedervereinigung in weite Ferne gerückt schien.
Wirtschaftlich lief es dagegen immer besser. Das Bruttosozialprodukt stieg in enormen Sprüngen, das Einkommen verdoppelte sich innerhalb von zehn Jahren, die Arbeitslosigkeit sank auf unter ein Prozent im Jahr 1961. Natürlich spielte es auch eine Rolle, dass man ein paar Millionen junge und hochqualifizierte Kräfte aus der DDR aufgenommen hatte.
Die Industrie, und hier vor allem der Maschinen- und Fahrzeugbau, kurbelte die Wirtschaft an. Immer mehr Menschen fanden Arbeit in den Fabriken.
Nicht zuletzt waren es immer mehr Frauen, die die Zahl der Arbeitnehmer erhöhten. 1958 wurde in einer Reform des Familienrechts Folgendes festgeschlagen: "Die Frau ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist". Bedenken Sie bitte, dass das erst gute 50 Jahre her ist. Kein weiterer Kommentar. Doch wenigstens im Schallplattenladen herrschte schon Gleichberechtigung ...
Auf die Landwirtschaft wirkte sich das allerdings negativ aus, denn viele - und auch hier meist junge - Menschen fanden in der Fabrik bessere Arbeitsbedingungen und nicht zuletzt höheres Einkommen als am Bauernhof.
Dabei darf man nicht vergessen, dass die Wochenarbeitszeit großteils noch 48 Stunden betrug. Viele Pendler fuhren außerdem täglich von ländlichen Gebieten in die Stadt zur Arbeit, was auch noch Zeit kostete.
1957 wurde ein Rentengesetz angenommen, das die Renten um 60 Prozent erhöhte und damit ein wenig mehr erlaubte, als nur zu vegetieren. Man sah das Rentenabkommen als Generationsvertrag, in dem die arbeitende Bevölkerung die Renten für die Leute bezahlte, die schon aus der Arbeit ausgeschieden waren. (Das ging ja gut, so lange immer mehr Erwerbstätige dazukamen. Heute, mit Horden an Arbeitlosen, sieht das anders aus.)
Das höhere Einkommen führte eine ganze Reihe Veränderungen mit sich. Zunächst beim Essen, wo Kartoffeln und Schwarzbrot im Verbrauch sanken, während Feingebäck, Wurst und Fleisch zunahmen. Nicht zuletzt aber war der Konsum von Südfrüchten ein Zeichen höherer Lebensqualität.
Reisen und Lokalbesuche gehörten zum neuen Luxus, nicht zuletzt der jungen Generation, die in der Zeit der großen Entbehrungen noch zu klein gewesen war, oder sie nicht mehr mitgemacht hatte. Durch die emporschießenden, modernen Eisdielen und Cafés trat Coca Cola seinen Siegeszug an.
Das hing aber auch mit der allgemeinen Amerikanisierung zusammen. Abgesehen von den Kinofilmen kamen Coca Cola und Jeans zuhauf in die BRD, um nicht von der Musik zu sprechen. Die Jukebox in den Cafés war eine Fundgrube für die Betreiber. The Platters, Pat Boone, Paul Anka und allen voran Elvis - um nur einige zu nennen - machten Catarina Valente, Peter Alexander und Freddy Quinn arge Konkurrenz.
Doch es war nicht nur die Jukebox, die die Musik leichter erreichbar machte. Das Transistorradio und tragbare Plattenspieler waren auf den Markt gekommen und beglückten die Jugend. Für Erwachsene standen andere Dinge auf der Wunschliste. Im Jahr 1958 verfügten nur neunzehn Prozent der Haushalte über einen Kühlschrank. Auch ein Elektroherd und eine ebenso elektrische Waschmaschine standen auf dem Wunschzettel an das Christkind oder den Weihnachtsmann. Fernseher und Telefon waren dagegen immer noch Träume für die Meisten.
Im Bild links sehen Sie zwei Dinge, die sich im Westen auf Sicht nicht halten konnten. Die bürgerliche Reaktion auf die aus Amerika importierte Kleidung der Jugend war genauso zum Untergang verdammt, wie die Lehren von Karl Marx. In der Wahl 1957 hatte die CDU einen Erdrutschsieg verbucht und die absolute Mehrheit gewonnen. Die SPD zog Konsequenzen daraus und legte 1959 im "Godesberger Programm" den Kurs um. Man verabschiedete sich von der Ideologie, ließ Marx verhungern und tauschte sogar die rote Farbe gegen das "Godersberger blau" als Parteifarbe. Man sagte nunmehr auch ja zur sozialen Marktwirtschaft und zu Privateigentum an Produktionsmitteln.
Natürlich war das Stimmenfang und die nächste Wahl, 1961, gab der SPD recht, sie bekam Stimmenzuwachs. Dennoch hatte man Pech, dass ein paar Wochen vor der Wahl die Mauer errichtet worden war, was die Bevölkerung erneut ins bürgerliche Lager drückte. Die Moral des Stimmenfangs kann man ja in Frage stellen, aber das gilt wohl jeder politischen Partei zu allen Zeiten. Moral und Politik auf eine Stufe zu stellen wäre außerdem eine Utopie der Utopien.
Die CDU verlor bei dieser Wahl die absolute Mehrheit und musste sich mit der FDP zu einer Koalition arrangieren. Der 85jährige Adenauer dachte trotzdem nicht an einen Rücktritt. Die FDP stellte jedoch die Forderung, dass er während der Amtperiode zurücktreten müsse. Sein Nachfolger wurde Ludwig Erhard.
Im Bild links sehen Sie einen Salonwagen der Eisenbahn "mit gehobener Ausstattung", der im Keller des Hauses aufgestellt ist. Er stand zu Adenauers Verfügung. Von 1937 bis 1945 hatte er Hermann Göring gehört ...
Im Schatten der Kubakrise und der weltpolitischen Spannung im Herbst 1962 veröffentlichte "der Spiegel" einen Artikel mit der Rubrik "Bedingt abwehrbereit" und zeigte darin Mängel des Verteidigungskonzepts der BRD auf. Redakteure und Herausgeber der Zeitschrift kamen wegen Landesverrats in Untersuchungshaft und die Büros wurden von Kriminalbeamten besetzt.
Verteidigungsminister Franz Josef Strauß wurde zum Prügelknaben der Affäre und musste die Regierung verlassen. Auch Adenauer erklärte schließlich, dass er im folgenden Jahr zurücktreten würde. Aber er meinte auch, dass Erhard diesem Amt nicht gewachsen sei ... Die verhafteten Verantwortlichen des "Spiegel" wurden schließlich - nach bis zu 103 Tagen - wieder freigelassen. So viel zur Meinungs- und Pressefreiheit in der demokratischen Welt ...

Copyright Bernhard Kauntz, Västerås 2014


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10.11.2014 by webmaster@werbeka.com