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Wir waren mit dem Auto unterwegs und wollten eigentlich nur eine Kaffeepause machen. Also hielten wir im nächsten Dorf. Wir hatten gesehen, dass wir uns in Axente Sever befanden, dem rumänischen Namen für Frauendorf. Wie alle Namen, früher deutsch, hat man den Städten und Dörfern rumänische Namen gegeben, als Siebenbürgen nach dem Ersten Weltkrieg Rumänien zugesprochen wurde.
Ioan Axente, hier geboren, war ein Revolutionär, der 1848 in der Transylvanischen Revolution aktiv war.
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Diese Aktion stand auf Seite der Habsburger, weil man sich dagegen sträubte, in Zukunft ein Teil Ungarns zu werden. Nicht zuletzt, weil Ungarn sich weigerte, das Sklaventum abzuschaffen. Vor allem hatte man jedoch das Ziel, Rumänien selbständig zu machen.
Als die Ungarn dann Transylvanien überfielen, zog sich Axente an der Seite des Anführers Iancu Avram in die Berge zurück, wo sie eine Guerillakriegführung betrieben.
Die Büste vor dem Gemeindehaus erinnert zusammen mit dem Namen des Dorfes an diesen Freiheitskämpfer, der eigentlich Theologie und Philosophie studiert hatte.
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Was, wie an so vielen Orten, auffällt, ist die Üppigkeit der Blumenarrangements, die überall ins Auge stechen.
Aber all das erfuhren wir erst später, wir wollten ja zunächst nur Kaffee trinken. Damit sah es aber gar nicht so gut aus. Axente Sever ist nämlich ein typisches Straßendorf, in der Form eines "Y", das aus einer Hauptstraße und einer Abzweigung besteht. Letztere befindet sich meist im Zentrum bei der Kirche. Und so weit das Auge reichte, gab es nur Wohnhäuser.
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Wohl standen wir vor dem Tor zum "Würzburger Hof", das allerdings schon bessere Tage gesehen hatte und seit langer Zeit verschlossen war. Aber die Wehrkirche war immerhin ein Museum, wie eine Mitteilung an der Befestigungsmauer bekanntgab. Dem Spanischen recht ähnlich, begriffen wir auch, dass hier Geschichte aus dem Mittelalter, Architektur, sowie ländliche Kultur gezeigt werde.
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Vielleicht gab es dort außerdem Kaffee?
Durch ein durchaus museumsreifes Tor, das kräftig knarrte und auf diese Art als Türglocke diente, betraten wir den Innenraum der Kirchenburg. Und - was für enorme Überraschung wir erlebten! Entlang der Mauer waren sogenannte Kornkammern eingebaut worden, wo man früher Lebensmittel lagerte und wo sich die Dorfbewohner einrichteten, um während eines Überfalls Schutz zu finden.
Hier hatte man diese Nischen restauriert und frisch getüncht, um sie als "Bed & Breakfast" an Touristen zu vermieten.
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Und das um die geringe Summe von 10 Euro pro Person und Nacht. Um 5 Euro konnte man dann ein Frühstück dazu bekommen. Das erklärte eine junge Frau, die uns entgegenkam. Zu erwähnen wäre vielleicht außerdem noch, dass jedes Zimmer, trotz des ländlichen Ambientes ein eigenes Badezimmer mit Dusche und Toilette besitzt.
Kaffee? Nein, nicht im Verkauf, aber sie würde gleich eine Kanne für uns aufsetzen. Wenn wir inzwischen eine Museumsbesichtigung machen wollten? Diese kostete ganze 7 Lei, das sind etwa 1,60 Euro. Und den Kaffee durften wir nachher auch nicht bezahlen ...
Das Museum besteht aus mehreren Teilen. Die Kirche bildet natürlich den zentralen Ort. Rechts davon befinden sich die restaurierten Nischen, links dagegen, das "kleine Museum". Und hinter der Kirche gibt es das "große Museum" zu besichtigen.
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Das kleine Museum befindet sich noch im Aufbau, aber man sieht vielerlei Werkzeuge aus der Landwirtschaft, sowie Erklärungen zu den Tätigkeiten, die damals bräuchlich waren. Man bekommt zum Beispiel das Weben von Leinen erklärt, die Schnapsbrennerei, man erfährt über den Weinbau und wie man Kalk brennt. Schließlich steht bei einem alten Ochsenwagen ein Schild, wo man lesen kann, dass bis zu 1500 Kilogramm auf diesem Gefährt transportiert werden konnten. Die Ochsen kamen dann mit etwa drei Stundenkilometern voran.
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Das ist heute vielleicht nicht mehr unbedingt wichtig zu wissen, aber dennoch interessant zu erfahren.
Im großen Museum gibt es eine Vielfalt an Dingen zu sehen, seien es ein Webstuhl und ein Spinnrock, oder verschiedene Trachten, alte Musikinstrumente oder Petroleumlampen. Auch eine Armbrust steht - samt Erklärung - an eine Wand gelehnt. Ausführliche Erklärungen gibt es auch zum Bau einer Wehrkirche und nicht zuletzt eine Übersicht über die Geschichte der Umgebung.
Die Gegend ist schon lange bewohnt.
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Die Daker (bei den Römern hieß das Gebiet daher auch Dacia) wohnten hier jedoch schon lange, bevor die Römer kamen. Vor nicht allzu langer Zeit hat man hier einen Goldschatz gefunden mit Münzen, die im dritten Jahrhundert vor Christus im Umlauf waren. Den Römern gelang es erst 106 nach Christus, Dakien zu überwältigen. Seither hat man sich aber vermischt - daher ist das Rumänische heute eine lateinische Sprache, inmitten all der slawischen Sprachen der Nachbarn.
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Frauendorf selbst hieß bei seiner Gründung Villa Dominarium. Die Ortschaft wurde zum ersten Mal im Jahr 1305 erwähnt und wurde von Flamen, aus Brabant und Flandern in Belgien, gegründet.
Zwischen dem 13. und dem 17. Jahrhundert fielen immer wieder fremde Krieger ein, zuerst Mongolen und dann Türken, ermordeten die Bevölkerung oder versklavten sie. Erst 1699 konnte Österreich die Türken endgültig schlagen und es brachen friedlichere Zeiten an.
Die Kirche stammt aus dem frühen 14. Jahrhundert und wurde, wie viele andere dieser Gegend, stark befestigt. Man hatte aus der Verwüstung des Landes durch die Tataren gelernt ... Schon 1322 wurde die "Kirche aller Heiligen" zum ersten Mal schriftlich erwähnt. Sie steht in der Mitte der Wehrburg und wird heute noch jeden zweiten Sonntag für den Gottesdienst verwendet. Eine ausführliche Beschreibung der Architektur der Kirche befindet sich ebenfalls im großen Museum.
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Hier lernt man, dass sich das Wehrgeschoss in gut drei Metern Höhe befindet. Es war nur über eine Leiter zu erreichen, die man eingezog, wenn es brenzlig wurde.
Das Kircheninnere ist sehr einfach gehalten, mit Sitzbänken ohne Rückenlehnen (sodass die Leute während der Predigt nicht einschlafen?) und auch die übrige Einrichtung ist sehr sauber, sehr sorgfältig und sehr volkstümlich gestaltet. Interessanterweise befindet sich die Kanzel in der Mitte der Sitzbänke. Die vorderen Reihen mussten sich dann umdrehen und dem Altar den Rücken zuwenden, wenn sie den Prediger sehen wollten.
Der Burghof schließlich ist 65 Meter lang und 42 Meter breit. Er wird von einer (an der Aussenseite) sechs bis acht Meter hohen Ringmauer umgeben. Im Burghof ist die Erde aufgeschüttet, daher erscheint die Mauer niedriger. Über den eingangs erwähnten Kornkammern befand sich ein Wehrgang mit Schießscharten und Gusslöchern, von wo aus man die Burg verteidigen konnte.
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Ich mache normalerweise keine Werbung auf meinen Seiten. Aber hier hat man ein überraschendes und gelungenes Konzept gefunden, das ich gern weiterempfehlen möchte. Außerdem war der freundliche Empfang ein weiterer Grund, das "Muzeul Cetate" zu empfehlen, wenn Sie in der Nähe sind. Allerdings ist wohl ein Auto oder ein Mietwagen nötig. Es gibt dort aber auch einen Fahrradverleih.
Hier also einige Daten:
Gelegen an der DN14, gut halbwegs von Sibiu nach Medias
Geöffnet April bis Oktober, So 12 - 16 Uhr, sonst 10 - 18 Uhr. November bis März auf Anfrage.
Kontakt: Frau Livia Pelger
Telefon: +40 (0)735 564 996
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