Wadköping in Örebro


Schweden hat eine Vorliebe für Freilichtmuseen. Jede Stadt mit Selbstachtung hat eines, vermutlich verursacht durch die Bekanntheit von Skansen, dem Freilichtmuseum von Stockholm, wo viele Events stattfinden, die auch vom Fernsehen übertragen werden.
Ich gebe gern zu, dass Wadköping zu meinen Favoriten gehört. Teils ist Lage an der Schwarza äußerst pittoresk, teils ist es der Gesamteindruck, der wirklich vermittelt, dass man sich in einer alten Stadt befindet. Auf der einen Seite der Hauptstraße gibt es Gebäude vom 17. Jhd. bis Mitte des 19. Jhd., auf der anderen Seite werden Häuser gezeigt, die nach dem großen Feuer von 1854 entstanden.
Die Hauptstraße ist nach Bertil Waldén benannt, der früher Chef für das Regionsmuseum von Örebro war.
Dieser "Stadtteil" wurde 1965 zusammengetragen und hat seinen Namen aus der Literatur bekommen, weil ein Sohn der Stadt, Hjalmar Bergman, sein Jugendmilieu so bezeichnet hat, zum Beispiel im Roman "Die Markurells in Wadköping".
Hier gibt es Handwerkshütten, wo die verschiedendsten Dinge erzeugt werden, von Brot und Bäckereien im "Haus des Jeremias", bis zu allerlei Stoffen in der Hütte der Weber. Natürlich gibt es auch ein (zu kleines) Kaffeehaus und einen Krämerladen, in dem man sich gleich mindestens hundert Jahre in der Zeit zurückversetzt fühlt. Es gibt sogar einen antiquarischen Bücherladen auf der Hauptstraße. Auch Theatervorstellungen und musikalische Unterhaltung gehören zum Programm hier, wie auch Vorlesungen und ein Weihnachtsmarkt, um nur Einiges zu erwähnen. Aber auch Museen haben in Wadköping ihren Platz.
Der schon erwähnte Hjalmar Bergman und Levi Rickson, der den Schweden eher als "Jeremias i Tröstlösa" (Jeremias in Trostlos) als Dichter bekannt ist, haben ein Museum hier, wie sogar auch die Comicfigur Kronblom. In der Hütte der Handschuhmacher gibt es ein Schulmuseum, wo gezeigt wird, wie der Unterricht um 1920 ausgesehen haben mag.
Die Königshütte war ein Teil des alten Bürgermeisterhofes und war einer der Vorgänger der Gebäude in Wadköping, weil sie schon im Jahr 1899 hierher verpflanzt worden war. Den Namen soll sie nach König Karl IX haben, von dem erzählt wird, dass er hier übernachtet hat.
Aber vor allen Dingen ist es das Haus der Cajsa Warg, das die Besucher anzieht. Es liegt gleich am Anfang, in der linken Ecke, wenn man vom Stadtzentrum her kommt. Das Haus ist aus dem 17. Jhd. und ist als Haus für Gastbewirtung verwendet worden. Reichere Familien konnten sich solch extra Luxus leisten. Der untere Teil wurde als Gästezimmer und als Vorratskammer verwendet, während man im Obergeschoß einen Raum für eine Festtafel hatte. Zu Beginn des 18. Jhd. gehörte dieses Haus Anders Warg, Cajsas Vater. Es ist ja äußerst passend, dass man dieses Häuschen als Museum für seine Tochter eingerichtet hat.
Allerdings - wenn man das Haus von außen sieht, fragt man sich, ob man es wohl wagen kann, es zu betreten. Es sieht aus, als könnte es jeden Augenblick einstürzen ...
Aber ist man einmal drinnen, vergisst man bald alle eventuellen Bedenken und liest aufmerksam die Texte, die an den Wänden (allerdings nur in Schwedisch) angebracht sind. Sie erzählen von Christina Warg, wie sie eigentlich hieß. Sie wurde 1703 als Tochter von Anders Warg und Catharina Levijn geboren. Der Vater starb, als sie nur fünf Jahre alt war und die Mutter heiratete wieder. Mit siebzehn beschloss Cajsa, nach Stockholm zu ziehen und in vornehmen Familien als Haushälterin zu arbeiten, wie zum Beispiel bei den Verwandten Leonard und Catharina Klinckowström. Als sie nach fünfunddreißig Jahren Erfahrung genügend Wissen gesammelt hatte, gab sie 1755 ihr berühmtes Kochbuch heraus. Dafür ist sie heute noch in ganz Schweden bekannt.

Das Kochbuch wurde sofort ein voller Erfolg und kam in vierzehn Auflagen heraus. Die letzten erschienen erst im 19. Jhd., also lang nach Cajsas Tod im Jahr 1769. Es hatte natürlich schon früher Kochbücher auf Schwedisch gegeben.

Der Schlüssel zum Erfolg war aber vermutlich, dass es hier zum ersten Mal genaue Mengenangaben gab. In diesem Zusammenhang kann es interessant sein zu erwähnen, dass ein Ochsenkopf etwa 225 Litern entsprach.
Für mich persönlich war es aber noch interessanter, dass ich endlich begriff, warum das heute beim Schnaps noch gebräuchliche "Kvarting" (Viertel) 0,33 statt 0,25 Liter enthält.
Keineswegs ist das auf das Wohlwollen des staatlichen Alkoholmonopols zurückzuführen, sollte jemand das glauben wollen. Es kommt daher, dass man im 18. Jhd. ein Maß hatte, nämlich das "Stop", das 1,3 Litern entsprach. Und ein Viertel eines Stops ist eben 0,33.

Das Kochbuch, "Hjelpreda I Hushållningen För Unga Fruentimber" (Behelf für im Haushalt arbeitende junge Frauenzimmer), enthält doch nicht nur Kochrezepte, wie man glauben könnte. Cajsa beschrieb auch andere Haushaltsarbeiten - es gibt sogar einen Abschnitt über das Färben von Stoffen mit pflanzlichen Mitteln.

Es gibt einen Ausdruck, nämlich "man nimmt, was man hat", der in ganz Schweden Cajsa Warg zugeschrieben wird. Aber im gesamten Kochbuch ist dieser Ausdruck nirgends zu finden.
Als welch guter Mensch Cajsa auch immer beschrieben wird, gab es ohne Zweifel auch einen Zug von Selbstherrlichkeit bei ihr. Den größten Teil ihres Nachlasses vermachte sie der Enkelin ihrer Schwester, doch unter der Bedingung, dass diese von jemand anderem als der Mutter erzogen werden sollte. Dies, weil Cajsa "til hennes kiära moders hushållning inget förtroende äger" (für die Haushaltsarbeit ihrer Mutter kein Vertrauen hatte).

Genug über Cajsa. Das zweite ebenerdige Zimmer im Haus zeigt, welche Dinge in einer Küche des 18. Jhd. vorkommen konnten.
Im Obergeschoß ist auf dem Gästetisch eine festliche Mahlzeit bereitgestellt. Eine Einladung zum Mittagessen (das in Schweden am Abend verzehrt wird ...) begann normalerweise am Branntweintisch, wo man sich außerdem mit Hering, Lachs und Käse bedienen konnte. Dann kamen die Gerichte, die bei Tisch serviert wurden. Suppe, Aspik und Pasteten kamen zuerst, gefolgt von der Hauptspeise, die aus Vogel, Fleisch oder Fisch bestand. Die eigentliche Mahlzeit wurde mit gefüllten Törtchen abgeschlossen und als Nachtisch wurden Konfekt, Nüsse oder Obst angeboten.

Der Esstisch ist jedoch nicht die einzige Attraktion. Wände und Dach sind im frühen 18. Jhd. bemalt worden, vermutlich von den neuen Besitzern. Man glaubt nämlich, dass die Witwe Catharina Warg das Haus verkaufte, als sie wieder heiratete.

Auch wenn das gesamte Wadköping einen Besuch wert ist, ist für mich das Haus der Cajsa Warg der absolute Höhepunkt.

Copyright Bernhard Kauntz, Wolvertem 2009


Zurück nach oder zum von
last update: 27.4.2009 by webmaster@werbeka.com