BURG BEERSEL
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Im Süden von Brüssel liegt die Burg Beersel. Sie sieht heute noch aus, wie sie gegen Ende des 15. Jhd. neu aufgebaut wurde. Zwar ist im Burginneren die Jahreszahl 1617 verankert, aber man glaubt, dass damals nur eine kleinere Renovierung stattfand. Angefangen hat alles aber schon viel früher, nämlich etwa zwischen 1300 und 1310, als die Grundfesten gebaut wurden. Godfried van Hellebeke bekam von Jan II, Herzog von Brabant, die Erlaubnis hier eine befestigte Burg zu errichten. Der Herzog half sogar beim Bau, weil die Burg auch einen Schutz für Brüssel darstellte.
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1302 wurde Godfried zum Seneschalk erhoben, was etwa dem Titel eines Burgherrn entsprach, aber mit Erbrecht verbunden war. Die Tochter von Godfried, Elisabeth van Hellebeke heiratete einen Jan van Stalle und deren Tochter vermählte sich im Jahr 1363 mit Jan II van Witthem. Die Witthems behielten dann den Einfluss auf die Burg bis Ende des 16. Jhd., als die letzte Tochter des Hauses, Ernstine, einen Arenberg heiratete. Vermutlich geschah damals auch die Renovierung von 1617.
Es ist bekannt, dass im Jahr 1402 ein Brand einen Teil der Dächer zerstörte, weil die Herzogin Johanna ein Prozent des Holzes in Zoniënwoud an Hendrik van Witthem lieferte, um diesem beim Wiederaufbau zu helfen.
Nun ein wenig europäische Geschichte dazwischen: Im Jahr 1477 heiratete Maria von Burgund, die Landesherrin, den österreichischen Habsburger Kaiser Maximilian I. |
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Die Bevölkerung war gegen diese Ehe, Maria hatte aber einen guten Grund dafür. Am 5. Jänner 1477 verlor ihr Vater, Karl der Kühne, in der Schlacht von Nancy das Leben, als er dort gegen die mit den Franzosen verbündeten Eidgenossen kämpfte. Maximilian erschien ihr am geeignetsten, um den Franzosen Widerstand leisten zu können. Ludwig XI, der zwar ihr Taufpate war, war nämlich begierig, das Burgunderreich unter seine Fittiche zu bekommen.
Leider starb Maria, nach nur fünf Jahren Ehe, an den Folgen eines Reitunfalls bei einer Falkenjagd. Sie hatte ihren Sohn, den sie mit Maximilian hatte, Philipp den Schönen, späteren König von Spanien, als Erben eingesetzt, Maximilian aber als Vormund, so lange Philipp unmündig war. Die Bevölkerung der Niederlande, die ja von Anfang an gegen diese Verbindung gewesen war, erprobte nun den Aufstand.
Der Rittersaal
Jan III van Witthem, der nun in Beersel Burgherr war, blieb dem Kaiser jedoch treu. Im November 1488 versuchten die Brüsseler die Burg zu stürmen, mussten aber aufgeben. Im April 1489 kamen sie aber wieder, nunmehr verstärkt mit französischer Artillerie, zu dieser Zeit die beste in ganz Europa. Die Belagerung dauerte nicht lange, denn es gelang den Aufständischen, ein großes Loch in die Burgmauer zu schießen und danach die Festung zu stürmen.
Die Verteidiger wurden in den Kerker geworfen und ihr Anführer, Willem van Ramilly, wurde am Großen Markt in Brüssel öffentlich aufgehängt.
Maximilian konnte jedoch Brüssel zurückerobern und verpflichtete die Brüsseler, teils an die van Witthems eine Geldbuße zu bezahlen, teils die Burg wieder aufzubauen. Das muss zwischen 1491 und 1508 geschehen sein. Der Schlussstein im Gewölbe im ersten Geschoß des dritten Turmes, dem sogenannten Rittersaal, trägt das Wappen von Jan III van Witthem, das mit der Kette des Ordens vom Goldenen Vlies versehen ist - eine Auszeichnung, die Jan am 28. Mai 1491 erhalten hatte. Am 30. Juni 1508 war das Werk sicher beendet, denn da wurde die Kapelle im Schloss eingeweiht.
Nach den Arenbergs gab es verschiedene Bewohner der Burg. 1818 wurde sie sogar kurzzeitig zu einer Fabrik umgebaut, verfiel aber in immer höherem Grad. |
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Auch die Türme waren eingestürzt, als der Verein "Die Freunde der Burg Beersel" im Jahr 1928 eine Restaurierung durchführte, bei der man sich streng an Zeichnungen und Drucke aus früheren Jahrhunderten hielt. Im Augenblick wird sie unter der Patronage von der Gemeinde Beersel wieder renoviert, ist aber auch während der Arbeiten für die Besucher zugänglich.
Bei der jetztigen Renovierung versucht man gleichzeitig, die Burg archeologisch zu untersuchen. Die - bisher wenigen - Funde werden (vorläufig) in einem Container ausgestellt, der auf der Rasenfläche vor der Burg aufgestellt ist. Hier sehen wir zum Beispiel einen Schlüssel aus Schmiedeeisen aus dem 16.-17. Jhd.
In einem anderen Container kann man einen kurzen Introduktionsfilm sehen, der hauptsächlich aus computeranimiertem Gebäudeaufbau besteht. Der Film ist jedoch eher für Techniker als für die Allgemeinheit interessant. |
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Außer dem Wassergraben hatte die Burg auf drei Seiten eine natürliche Verteidigung in der morastigen Landschaft - nur im Norden schloss sie an höheres Gelände an. Dort befand sich aber auch die Zugbrücke und einer der Türme, der das Eindringen eventueller Feinde verhindern sollte. Auffallend ist auch, dass die Burg nur drei Türme hat, dagegen keinen Wehrturm oder Donjon in der Mitte, der als letzte Zuflucht dienen konnte. Andererseits konnte jeder der drei Türme einzeln verteidigt werden, da auch Schießscharten zum Innenhof vorhanden waren. Vom Eingangsturm abgesehen, hatten die anderen Türme kleine Wachttürme an den Seiten, von denen aus auch gerade nach unten geschossen werden konnte. Zwischen diesen beiden Türmen gab es im Wehrgang auch einen "Notausgang". Hier konnte man fliehen, oder auch einen Boten hinausschicken, der dann schwimmend auf der - hoffentlich - unbewachten Seite in nächtlicher Finsternis entkommen konnte. Interessant ist auch, dass die Türme nicht rund gebaut sind, sondern ein halbes Oval bilden, etwa in Hufeisenform.
Die Fenster an der Außenseite der Burg waren alle sehr schmal und klein, sodass das Licht vom Innenhof her kommen musste. Die größeren Fenster stammen aus einer späteren Periode. Glas war ein großer Luxus im Mittelalter, daher wurden die Fenster noch lange mit in Öl getränktem Papier abgedichtet.
Der erste Turm war hauptsächlich als Wehrturm ausgerüstet. Von hier aus konnte man die Zugbrücke betätigen und abriegeln, und auch die Sturmegge konnte aus dem ersten Stock herabgelassen werden. Diese bestand aus drei miteinander verbundenen Balken, aus denen lange eiserne Spitzen hervorragten, die Fußvolk und Reiterei daran hinderten, näher zu kommen.
Die Sturmegge wurde hauptsächlich verwendet, um in Breschen gelegt zu werden, oder sonstige Öffnungen zu verteidigen.
In jedem der Türme befand sich im dritten und höchsten Geschoß ein Waffen- und Munitionslager. Im dritten, dem Eingangstum fast gegenüber liegenden, befanden sich die Wohnräume der Besitzer der Burg.
Im ersten Stock gab es einen Verbindungsgang zwischen den Türmen, der gleichzeitig als Wehrgang gegen den Innenhof verwendet werden konnte. Der Zahn der Zeit hat mit Regen und Sand die meisten Ziegel auf diesen Wehrgängen ausgehöhlt, sodass man heute nur mehr auf dem härteren Mörtel geht. |
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Die Ostseite der Burg besitzt keinen Turm, dagegen hatte man hier im Hof diverse Nebengebäude, wie Küche, Keller und Kapelle untergebracht. Hiervon fehlt jedoch jede Dokumentation - daher hat man sie nicht wieder rekonstruiert. Im ebenerdigen Geschoß des Herrenturmes befand sich vermutlich der Gerichtssaal. Dort standen auch die Folterinstrumente - denn irgendwie musste man ja die "Wahrheit" herausbekommen ... Das weiß in unserer Zeit noch die amerikanische CIA.
Das Verlies ist heute mit einem Gitter abgeschlossen, das der einzige Zugang war. Unter befanden sich zwei Räume, wovon in einem die Latrine war, während der andere eine kleine Öffnung zum Burggraben hin hatte - alles, was die Gefangenen an Licht und Luft genießen konnten. Aber zimperlich durfte man im Mittelalter eben nicht sein. Diesen Eindruck bekommt man nicht nur, wenn man an den Kerker denkt, sondern auch schon, wenn man die Burg besichtigt.
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Die nackten Ziegelwände waren möglicherweise zum Teil bemalt, aber die fehlende Wärme konnten sie damit auch nicht ersetzen. Kamine gibt es in der Burg nur vereinzelt, und die paar sind auch nicht gerade vertrauenerweckend.
Aber gerade das ist das Erlebnis bei einem Ausflug auf eine Burg aus dem Mittelalter. Die rohen, aufgebauten Steinsitze an den Fenstern, die schiefen und teilweise hohen Stiegen, die zugigen Zimmer und das Fehlen jeglicher Bequemlichkeit machen es fast unbegreiflich, dass man hier - besonders im Winter - überhaupt existieren konnte. Dennoch war es nur die Oberschicht der Gesellschaft, die solche Bauten in Anspruch nehmen konnte ....
© Bernhard Kauntz, Wolvertem 2009
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