Das Kunsthistorische Museum in Wien


Während das Leitwort im Naturhistorischen Museum "lernen" ist, gilt im Kunsthistorischen "erleben" als Parole. Natürlich ist die Gemäldegalerie der zentrale Teil des Museums, aber schon auf der Treppe zum ersten Stock, wo sie untergebracht ist, erweckt die Theseusgruppe von Antonio Canova meine Aufmerksamkeit. Ebenso kann ich es nicht bleiben lassen, von der allgemeinen Architektur und der Ausschmückung des Hauses beeindruckt zu sein. Allein mit diesem Studium könnte man leicht einen Tag hier verbringen.
Die Gemäldegalerie enthält in ihrem linken Teil deutsche, flämische und holländische Malerei, im rechten Flügel sind italienische, spanische und französische Meister zu sehen. Auch wenn meine persönlichen Favoriten zu letzterer Gruppe gehören, kann ich nicht umhin, von der Kunst eines Dürer, Cranach oder Holbein ergriffen zu werden oder über die Phantasie von Archimboldo zu lächeln, mit der er Themenköpfe erschaffen hat, die nur aus Attributen des Themas bestehen. So enthält das Bild des Feuers zum Beispiel Kerzen, Lampen, brennendes Holz, usw. Der Sommer dagegen ist durch reife Ähren, eine Gurkennase und Obst dargestellt.
Natürlich gehört auch Pieter Bruegel d. Ä. erwähnt, von dem das Kunsthistorische Museum die größte Sammlung der Welt besitzt. Aber auch mollige Rubensdamen gibt es, wie auch Werke von Frans Hals, van Eyck, Vermeer und Rembrandt.
Auf der gegenüberliegenden Seite hängen Bilder von Lotto, Veronese, Tintoretto, Tizian und Raffael, vor denen bei jedem einzelnen die Zeit zum Stillstand kommt.
Corregios mythologische Darstellungen von Jupiters Liebschaften haben natürlich höheren Inhaltswert, wenn man die Hintergrundsgeschichte kennt. Die hingebungsvolle Io hätte möglicherweise nocheinmal nachgedacht, hätte sie gewusst, dass sie wegen diesem göttlichen Abenteuer einen großen Teil ihres Lebens als Kuh zubringen werden müsse.
Caravaggios lichtdramatische Effekte, zum Beispiel in "David mit dem Haupt des Goliath", hinterlassen einen tiefen Eindruck. Die Nase von Cagnaccis Kleopatra mag zwar ein wenig idealisiert sein, aber ihr Selbstmord durch Schlangenbiss ist dennoch rührend. Das Bild ist sogar auf einer Briefmarke verewigt.
Die höfische Malerei des Diego Velazquez darf natürlich nicht vergessen werden, sie ersetzte zu ihrer Zeit den Austausch von Fotos, wie wir ihn heute kennen. Aber auch das Werk von Seisenegger, das Bildnis von Kaiser Karl V, in dessen Reich die Sonne nicht unterging, hat historischen Wert.

Es ist natürlich vollkommen unmöglich, alle Namen aufzuzählen, die hier repräsentiert sind; Reni, Tiepolo, Ricci und Batoni mögen das 18. Jhd. vertreten, wie auch Bernardo Belloto, auch Canaletto genannt, der durch seine Stadtansichten von Wien um 1760 ein Stück Geschichte überliefert hat.

Auf der Treppe fällt mir beim Hinabgehen auf, wie übergreifend der Besuch der Gemäldegalerie doch war. Es waren nicht nur die Bilder, die mich ansprachen, sondern durch den Inhalt der Bilder wurde die Zeit auch zu einem Erlebnis in Sozialgeschichte, Mythologie und Religions- sowie Weltgeschichte.

Im Hochparterre gibt es eine Abteilung für die Antikensammlung des Hauses. Leider ist dort wegen Umbaus geschlossen. Schade, denn ich hätte gern ein paar Fotos gemacht, die zu meiner Zusammenstellung über das 6. Jhd. v. Chr. passen. Dort soll es Artefakten von der Frühantike bis zur Völkerwanderungszeit geben.
Genauso schade ist, dass die ägyptischen Sammlungen gerade restauriert werden, wo es Funde vom 4. Jahrtausend vor Christus bis zur Römerzeit geben soll. Heute sind die ägyptischen Sammlungen jedoch wieder zugänglich. Statt dessen renoviert man bis 2004 die Kunstkammer, wohin ich jetzt meine Schritte lenke, um wenigstens ein bisschen mehr von den Schätzen zu sehen, die hier verwahrt werden.

Ich werde wirklich nicht enttäuscht. Die Sammlungen strecken sich vom Mittelalter bis zum Barock und bieten eine Vielfalt an Werken, die schon wieder viel mehr Zeit verlangen, als die gute Stunde, die mir vor der Sperrstunde noch bleibt.
Es gibt eine eigene Abteilung für Uhren und Automaten, die sicher jeden Liebhaber entzückt, Büsten und Statuen aus Holz, Stein und Bronze, "Krimskrams" wie Salzfässer, Brettspiele und Schmuckkästchen, Gebrauchsgegenstände wie Messkelche oder Maria Theresias goldenes Frühstückservice, Trinkgefäße aller Art und Herkunft, wie auch alle möglichen und unmöglichen Schmuckstücke.

Eigentlich wollte ich auch noch schnell in den zweiten Stock schauen, wo das Münzkabinett eine Sammlung von Zahlungsmitteln vorzeigt, die sich von den ersten Münzen des König Krösus von Lydien bis hin zum Euro erstreckt. Leider ist der Nachmittag aber schon zu Ende, sodass ich nicht mehr dazukomme.
Zum Kunsthistorischen Museum gehören auch noch andere Sammlungen, wie das Ephesos-Museum, die Wagenburg, die Schatzkammer und eine Sammlung alter Musikinstrumente, die aber alle aus Platzgründen an anderen Stellen gezeigt werden.

Beim Ausgang angelangt, mit Aussicht über den Maria-Theresien-Platz, fällt mir wieder einmal der Vergleich mit Videofilmen ein... Für die 7 Euro Eintritt hätte ich mir bestenfalls drei Videofilme ausleihen können. Der Zeitaufwand wäre dann auch der gleiche gewesen - aber um wieviel größer war doch das heutige Erlebnis!

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12.3.2002 by webmaster@werbeka.com