Wien 1., Die Michaelerkirche
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Wenn man vor dem Haupteingang der Burg steht, befindet man sich auf dem Michaelerplatz. Dieser dürfte seinen Namen der Kirche verdanken, die hier erbaut und dem Erzengel Michael geweiht wurde.
Die Michaelerkirche ist eine der ältesten Kirchen in Wien, noch in romanischem Stil, auch wenn spätere Änderungen das nicht mehr so deutlich hervortreten lassen.
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Aber es war Herzog Leopold VI, ein Babenberger (das Herrschergeschlecht vor den Habsburgern), der die Kirche in Auftrag gab. Das geschah um 1220.
Die Kirche war eine Stadtpfarre, das heißt sie unterstand keinem Orden, sondern wurde von der Stadt erhalten und der jeweilige Priester stand ebenfalls auf der Lohnliste der Stadt. So nahe der Burg belegen, war die Michaelerkirche später so etwas wie eine zweite Hofkirche der Habsburger. Erst 1626 kam die Kirche in die Obhut eines Ordens, nämlich der Barnabiten. Diese führten größere Umbauarbeiten - im Barock und später in der Klassizistik - durch. Ein gutes Beispiel letzterer ist der Portalvorbau. 1920 verließen die Barnabiten Wien und die Betreuung der Kirche wurde den Salvatorianern übergeben.
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Eine Kuriosität am Rande: Die Michaelerkirche wurde bei den Dreharbeiten der Sissi-Filme statt dem Stephansdom verwendet, da dieser teilweise im Krieg zerstört wurde und erst neulich wiederaufgebaut worden war. Aus diesem Grund hatte die Erzdiözese Wien die Dreharbeiten im Stephansdom nicht erlaubt.
Die dreischiffige Kirche besitzt in den Seitenschiffen je drei Kapellen und kann außerdem eine Menge interessanter Sehenswürdigkeiten vorzeigen. Nicht zuletzt die freigelegten Fresken sind ein Vermächtnis über Jahrhunderte hindurch.
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Der heilige Michael als Seelenwäger (Bild oben links) wurde zum Beispiel im Jahr 1350 erschaffen. Gleich daneben findet man ein Fresko, das beim Tod Kaiser Maximilian I (der letzte Ritter) entstand, im Jahr 1519.
Aber auch die Grabinschrift für die Edle, tugendhafte Frau Latterina Prandtner, geborene Gattermaier, die am 13. November 1571 gestorben ist, ist für die Nachwelt erhalten geblieben.
Unter der Kirche befindet sich die Michaelergruft, wo etwa 4000 Menschen bestattet wurden. Allerdings galt das nur dem Adel und der reichen Bürgerschaft, das gewöhnliche Volk musste mit dem Friedhof im Anschluss an die Kirche vorliebnehmen. Später wurde auch dieser Friedhof verlagert, dorthin, wo sich heute der 7. Bezirk befindet, also damals außerhalb der Stadtmauern. Erst Kaiser Josef II untersagte 1784 weitere Bestattungen in den Katakomben.
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Vermutlich durch ihr spezielles Klima erlangte die Gruft Berühmtheit, da mehrere Leichen nicht verwesten, sondern mumifiziert wurden.
Heute erinnern hauptsächlich in den Boden eingelassene Grabsteine an die diversen Edlen, die sich einen Platz in der Gruft kaufen konnten. Diese Grabsteine bezeichnen auch, wo sich die respektive Grabkammer befindet, denn die Särge wurden dort in die Gruft hinuntergesenkt und nicht hinabgetragen.
Natürlich wurden die Inschriften der Steine durch die Jahrhunderte abgeschliffen, wenn die Menschen darübermarschierten.
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Aber manchmal gibt es eine Lesehilfe (Bild oben links) ... Der älteste Grabstein stammt übrigens aus dem Jahr 1341.
Sehenswert ist auch die Orgel. Es ist dies die größte, bespielbare Barockorgel Österreichs. Sie wurde 1714 von Johann Sieber aus Brünn erbaut. Sie hat ein Pedal, drei Manuale und 40 Register. Kaiser Karl VI, der Vater Maria Theresias, war anwesend, als sie das erste Mal gespielt wurde.
Ein Holzkreuz, das einmal auf dem Friedhof im KZ Dachau stand, befindet sich ebenfalls in der Kirche, zusammen mit einem Gedenkstein.
Ein Halbrelief der Büste des Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß ist in die Mauer eingelassen. Dollfuß wurde 1934 von Nazisten ermordet, hatte sich andererseits aber durch einen Staatsstreich zum Diktator Österreich gemacht. Er hatte 1933 das Parlament und den Verfassungsgerichtshof schließen lassen und regierte durch eine Notverordnung allein.
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Er war der Urheber des Wortes "Austrofaschismus". Dann wieder hatte er die Gefahr des Nazismus erkannt und verbot sowohl Nationalsozialisten, wie auch später die Linksparteien, Kommunisten und Sozialdemokraten. Der viertägige österreichische Bürgerkrieg im Februar 1934 geht nicht zuletzt auf Dollfuß Verordnungen zurück.
Die katholische Kirche stand geeint hinter dem Diktator, teils, weil er aus der Christlich Sozialen Partei hervorging, teils aber auch, weil er die Gegner der Kirche kräftig im Zaum hielt. Auch wenn man heute in der Michaelerkirche auf einem Plakat schreibt: "Die Versuchung ist groß, jene Erinnerungsobjekte vorschnell mit den heutigen Denkkategorien zu beurteilen", darf man sich - bis hinauf zu Papst Pius XII - der Verantwortung nicht freisprechen. Aber eine Hand hat immer schon die andere gewaschen ...
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Zugegeben, das Grundübel ist 1919 schon im "Vertrag" von Versailles zu suchen, als die Alliierten nach dem Ersten Weltkrieg Österreich in eine hoffnungslose Situation diktierten und weder Deutschland noch Österreich an den Friedens"verhandlungen" teilnehmen durften. Diese Haltung hat schließlich stark zum Zweiten Weltkrieg beigetragen, genauso wie die Erschaffung Israels derselben Mächte zu einem unlösbaren Problem im Nahen Osten geführt hat.
Eine Lourdesstatue aus dem Jahr 1936 steht dem Dollfuß-Relief gegenüber, mit der Inschrift "Unbefleckte Jungfrau bitte für Österreich". Inwiefern die Kirche zwei Jahre später schon eingesehen hatte, dass sie auf dem falschen Pferd saß, geht nicht hervor ...
Ein paar alte Beichtstühle stehen auch hier, mit dem Vermerk, dass sie leider viele Leute an Zwang und Angst erinnern und dass es gilt, eine "neue Sprache der Versöhnung" zu lernen.
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Der Hochaltar wurde 1781 von Jean Baptiste d'Avrange entworfen. Das Marienbild davor stammt allerdings schon aus dem Jahr 1540. Es wird von zwei Engeln gehalten und bildet einen Kontrast zu der Gruppe des Engelsturzes dahinter. Die vier sitzenden Figuren stellen die vier Evangelisten dar, während seitlich von ihnen die Pestheiligen Sebastian und Rochus stehen.
Die Kanzel wurde von Franz Käßmann (1751 - 1837) erschaffen. Im Querschiff kann man nicht weniger als vier Altäre bewundern, die sämtliche auch von Käßmann in klassizistischem Stil ausgeführt worden sind. Auch die Seitenschiffe werden mit je einem Altar abgeschlossen. Der linke davon, in der Werdenbergkapelle, ist der älteste der Kirche, er stammt von ungefähr 1660. Die Grablegung Jesu im Vordergrund wurde jedoch wieder von Käßmann gestaltet.
© Bernhard Kauntz, Västerås 2014
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