VOR 100 GENERATIONEN
VORWORT
Es begann damit, daß ich mir einen neuen Computer angeschafft hatte. Ein Wunderding, übrigens, eine Multimediamaschine, die sowohl reden kann, als auch Bilder und Filme zeigen. Ein Lexikon wurde gratis dazu mitgeliefert, oder eine Multimedia Encyclopedia, wie Microsoft sie nennt. Das Werk heißt Encarta, und mein Gefallen daran war fast genau so groß. Es ist sehr interessant, darin zu blättern, und vor allen Dingen braucht man keine zehn Lesezeichen, die man auf verschiedene Seiten legen muß, wenn man nach etwas sucht, das größeren Umfanges ist. Sondern ganz einfach ein klick-klick mit der Maus, alles ist fein säuberlich in der Textverarbeitung zusammengefaßt und man es lesen, speichern und sogar ändern, wenn man Lust hat.
Ein Teil der Encarta ist das Mind-Maze, ein Quizprogramm, mit dem ich auch gern herumspiele. Leider behauptet dieses Mind-Maze, daß ich in Geschichte schlecht bin. Das geht, ehrlich gesagt, meiner Ehre zu nahe, in Anbetracht meiner humanistischen Ausbildung. Eines Abends blätterte ich im Lexikon und sah mir "Ancient History" an - aus purem Zufall, behaupte ich. Ich stolperte über einen Artikel, der von der jüdischen Gefangenschaft in Babylon handelt, in dem man "By the rivers of Babylon" zitiert. Das kenne ich besser als einen Hit von Boney M. Und dann kam ich auf den Gedanken! Es wäre eigentlich recht spannend, einen Überblick darüber zu bekommen, was früher passiert ist - aber auf breiter Basis, nicht nur aus geschichtlichem Blickpunkt mit einer Menge Jahreszahlen über See- und andere Schlachten. Natürlich mußte auch solches dabei sein, aber es geschahen sicher viele andere erinnerungswerte Dinge, in der Kunst, der Literatur, Philosophie, Sozialgeschichte, usw. Außerdem wäre es interessant zu sehen, ob man nicht "Vorausblicke" auf unsere heutige Gesellschaft machen könnte, wie im Fall der Boney M. Hier möchte ich auch hinzufügen, daß die "heutige Gesellschaft", die mir am nächsten liegt, die schwedische Gesellschaft ist, da ich ja schon mehr als mein halbes Leben hier wohne, und sich daher einzelne Reflexionen auf diese beziehen werden. Der Großteil allderdings ist weltweit gültig.
Trotz meines angeborenen Selbstvertrauens sah ich ein, daß ich nicht auf die ganze Geschichte losgehen konnte, sondern daß ich mich irgendwie begrenzen mußte. Der Artikel über die Gefangennahme der Juden beginnt im Jahr 597 v. Chr. Ich ließ dies einen Wink des Schicksals sein und beschloß, das 6. vorchristliche Jahrhundert als Rahmen zu verwenden. Nun ist es nicht so einfach zu behaupten, daß ich das aufgreife, was zwischen dem ersten Januar 600 bis zum letzten Dezember 501 geschehen ist, nicht zuletzt, weil viele Dinge ineinanderfließen - und ich erlaube mir, die beiden Jahrhundertwenden flexibel zu betrachten und ab und zu einmal auch "dahinterzusehen". Außerdem merkte ich bald, daß das mit den Jahreszahlen ohnehin relativ war. Es war ja ganz einfach, so lange ich mich an die Encarta hielt. Da hatte ich es mit EINER Angabe zu tun, an die ich glauben konnte. Aber ziemlich schnell fing ich an, auch andere Quellen um Rat zu fragen. Da begannen die Überraschungen aufzutauchen. Einige Leute konnten tatsächlich innerhalb eines halben Jahrhunderts geboren worden sein. Naja, eine Jahreszahl ist vielleicht nicht so ganz wichtig, relevant sind ja doch die großen Zusammenhänge.
Ich versuchte, logisch zu sein und wählte die wahrscheinlichste, oder, wenn das nicht möglich war, ganz einfach die subjektiv gesehen sympathischste Jahreszahl. Aber ich erlebte auch andere Überraschungen. Die Namen, zum Beispiel! An und für sich ist das ganz natürlich, wenn man in einem Gebiet lebt, in dem die geschriebene Sprache nur die Konsonanten ausschreibt, (welch verrückte Idee übrigens, das ist ja für Verwechslungen wie gemacht), und in dem außerdem eine Menge verschiedener Sprachen aufeinander Einfluß hatten. Schließlich hatte ich große Schwierigkeiten, die richtige schwedische, bzw. deutsche Orthographie der englischen Namen, die in Encarta standen, zu finden. Ich bin mir durchaus nicht sicher, daß mir das auch immer gelungen ist. Daß aus Pisistrates Peisitratos geworden ist, ist ja noch verständlich, aber daß Cilicia Kilikien wurde, war schwieriger, man mußte ja unter einem anderen Buchstaben suchen. Nun, auch hier habe ich subjektive Auswahlen getroffen, wenn ich nicht mehrere Varianten angegeben habe. Aber das ist immer noch ein Kinderspiel, verglichen mit anderen Hürden. Die Stadt Elea in Süditalien wird an einer Stelle von den Phöniziern gegründet, in einer anderen Quelle jedoch von jonischen Seefahrern im Jahr 540. Wer soll das entscheiden? Wieder sucht in erster Hand die Logik eine Antwort. Vermutlich standen dort fünf verfallene Hütten, die die Phönizier gebaut hatten, als die Jonier im Jahr 540 dort ankamen und eine etwas größere Stadt daraus machten.
ABER - ich habe keinerlei Absicht zu behaupten, auf alle diese Fragen eine definitiv richtige Antwort zu haben, ich glaube, das kann niemand. Ich habe es versucht, so gut es ging und so gut ich es vermochte - und abgesehen davon werden einzelne Details auch nicht den Lauf der Geschichte nennenswert verändern.
Ich beschloß, die Jahreszahlen in mein Werk einzufügen. Ich war anfangs von dieser Lösung nicht überzeugt, teils weil die Angaben unsicher sind, teils weil es zu viel an "Schule und Aufgaben" erinnerte. Aber andererseits bekam ich so automatisch einen Leitfaden und dadurch wurde es einfacher. In den Jahreszahlen lag ja sicher auch wenigstens eine Spur Wahrheit. Inwiefern das auch diversen Legenden, etc. gilt, wage ich nicht zu sagen. Aber ich will ja eine ausführliche Beschreibung des Jahrhunderts geben, da sind auch die Mythen und Legenden äußerst wichtig. Sie spiegeln ja wichtige ethnologische, mythische und sozialgeschichtliche Tatsachen - wenn auch nicht immer durch die Erzählung selbst, so wenigstens druch ihren Rahmen.
Als ich mich schon so weit von der Wirklichkeit entfernt hatte, war es eigentlich ganz leicht, auch noch eigene Kommentare und Ansichten hinzuzufügen. Diese sind ganz und gar auf meinem eigenen Mist gewachsen und haben manchmal auch nur lose Verbindung zum Thema. Wir haben schon ein Beispiel meiner "Erklärungen" gesehen, was die Gründung der Stadt Elea betrifft, aber nur mit der Ruhe, es kommt noch viel ärger. Zu meiner Ehrenrettung muß ich doch dazusagen, daß all diese persönlichen "Zugaben" in Klammer stehen.
Ich merkte ziemlich schnell, daß mein Aufgabengebiet ständig größer wurde. Leute wie Buddha oder Konfutius wurden in diesem Jahrhundert geboren, und ich fand, daß ich an ihren Lehren nicht einfach vorbeigehen konnte. Das bedeutet natürlich auch, daß ich mich auf immer tieferes Wasser hinausbegab. Ich war gezwungen, mir Kenntnisse über Themen anzueignen, von denen ich bisher nicht viel Ahnung hatte, und ich gestehe ehrlich, daß sie teilweise immer noch ziemlich oberflächlich sind. Obwohl ich nach bestem Wissen und Gewissen gearbeitet habe, ist es dennoch nicht unwahrscheinlich, daß sich auch ein paar Fehler eingeschwindelt haben. Sollte es so sein, tut es mir leid.
Im selben Ausmaß wie das Aufgabengebiet wuchsen aber auch mein Enthusiasmus - und die Ringe unter meinen Augen von aller Nachtarbeit. Es war jedoch zu spät um aufzuhören, ich war schon zu tief verstrickt in das Tun und Lassen unserer Ahnen.
Kann schließlich so eine subjektiv geschriebene Zusammenfassung denn überhaupt einen Nutzen haben? Ja, ich glaube schon. Es gibt keine übergreifende Dokumentation der Geschehnisse dieses Zeitabschnitts. Jedes Wissensgebiet hält sich - streng wissenschaftlich natürlich - in den eigenen Rahmen und hat Scheuklappen für die angrenzenden Themen. Die Philosophie behandelt die Philosophen und die Geschichte das Wann, Wie und Wo unserer Könige - aber niemand hat sich bisher um das Warum gekümmert. Um diese Frage zu verstehen, braucht man aber ein breiteres Spektrum. Deshalb glaube ich, daß eine nichtwissenschaftliche Synthese der Wissenschaften auch einen Beitrag leisten kann - hier kommt ein Versuch.
Västerås, im Dezember 1994
Als ich jetzt, nur knapp eineinhalb Jahre später, dieses Vorwort durchlas, schien es im Steinzeitalter geschrieben worden zu sein. Die Begeisterung des kleinen Jungen über ein neues Spielzeug leuchtet aus jedem zweiten Satz heraus. Ich bin inzwischen groß geworden, habe mir auch einen Internet-Anschluß besorgt, und ich kann heute nur mehr lächeln über meine Faszination von damals.
Aber - wenn ich schon so viel Zeit geopfert habe, um all diese Ereignisse hervorzusuchen, kann ich sie auch am Netz für andere zugänglich machen. Ein Teil muß überarbeitet werden, unter anderem muß ich einen Ersatz für die Bilder finden, die ich aus Encarta herausgeschnitten habe. Ich habe mich zwar um ein Copyright dafür bemüht, aber Microsoft bevorzugt es, nicht einmal zu antworten. Also werde ich mich auf den längeren Weg begeben und versuchen, über das Netz das Copyright für neue Bilder zu finden, mit denen ich den Text ein wenig illustrieren kann. Schon im Voraus ein herzliches Dankeschön, all denen, die mir ihre Erlaubnis geben.
Ich werde mich bemühen, Zeiger auf andere Seiten zu setzen, von denen aber ein Teil sehr groß ist. Das heißt, daß ich kaum die Möglichkeit haben werde, selbst den ganzen Inhalt zu lesen - doch werde ich versuchen, alles wenigstens oberflächlich auf Relevanz zu untersuchen. Im Zusammenhang mit den Zeigern sehe ich noch zwei Schwierigkeiten: erstens können auch diese Seiten inhaltlich vom jeweiligen Verfasser subjektiv gefärbt sein - etwas, wofür ich natürlich nicht einstehen kann (aber das gilt ja allen Links auf dem Netz) - und zweitens kann es auch so sein, das das, worauf ich zeigen will, auf einer Seite liegt, die hauptsächlich ein anderes Thema behandelt. (Ein Beispiel: wenn ich über den Philosophen Thales spreche, ist es gut möglich, daß ich eine Mathematikseite anzeige, denn Thales war auch Mathematiker.) In diesen Fällen muß der Leser selbst den Inhalt finden, der die Anzeige verursacht hat - was doch mit der Suchfunktion des Browsers nicht allzu schwer sein sollte.
Schließlich gibt es noch das allgemeine Problem aller Zeiger - daß die Seiten verändert werden, neue Adressen bekommen oder ganz aufhören. Ich bin nicht in der Lage alles laufend zu kontrollieren. Sollte eine Angabe veraltet sein, bin ich natürlich über eine kurze Mitteilung sehr dankbar.
Ich arbeite an diesem Werk, wenn ich Zeit habe. Ich will auch auf die Möglichkeit hinweisen, daß ich laufende Ergänzungen einfügen werde, wenn ich neue Quellen entdecke. Am Seitenende werde ich jedoch angeben, in welchem Monat die Seite das letzte Mal geändert wurde.
Weil es ziemlich schwierig ist, ein ganzes Buch auf einmal vom Netz zu holen - und viele ziehen es ja vor, off-line zu lesen - werde ich das Jahrhundert auf mehrere Abschnitte aufteilen, was auch im "Inhaltsverzeichnis" auf der Titelseite angegeben wird. Viel Vergnügen!
Västerås, im April 1996 (schwedische Ausgabe)
Copyright Bernhard Kauntz, Västerås, im Dezember 1996
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