FERDINAND RAIMUND
von Bernhard Kauntz
Ferdinand Raimund wurde 1790 in Wien geboren. 1808 begann er als Schauspieler in Ödenburg bei einer Wanderbühne, seit 1814 war er in Wien tätig, erst am Theater in der Josephstadt, ab 1817 am Theater in der Leopoldstadt, wo er 1821 Regisseur und 1828 auch Direktor wurde. Zwei Jahre später löste er diesen Vertrag und gastierte seitdem an verschiedenen Bühnen, sofern es ihm die Gesundheit erlaubte. Raimund litt nämlich in zunehmenden Maß an nervösen Krisen, was schließlich 1836 auch zu seinem Selbstmord führte, aus Angst, durch einen Hundebiß mit Tollwut infiziert worden zu sein.
Was steckt nun hinter dieser trockenen Lebensbeschreibung? Wer war der Mensch Ferdinand Raimund?
Er hatte es schon von Anfang an nicht leicht. Sein Vater, ein armer Drechsler, starb als Ferdinand zwölf Jahre alt war, beim Tod seiner Mutter war er vierzehn.
Zum Theater kam er spaßigerweise durch seine Zuckerbäckerlehre, weil er im alten Burgtheater Süßigkeiten verkaufen mußte und dort auch den Kuß der Muse empfing.
Nach den Hundejahren bei der Wanderbühne bedurfte es auch in Wien der Rolle des Geigers "Adam Kratzerl", die sein künftiger Schwiegervater, Josef Alois Gleich, ihm "auf den Leib schrieb", um Raimund berühmt zu machen. Seltsamerweise war die Rolle fast prophetisch: der eifersüchtige Geiger mußte alle Qualen leiden, weil er gezwungen war, seine Frau allabendlich allein zu lassen, und sie eines ausschweifenden Lebens verdächtig hielt. Daß Raimund selbst so empfindlich eifersüchtig war, entsprang vermutlich einer Episode aus der Ödenburger Zeit, als er eines Tages seine Kollegin und Geliebte "in flagranti" in den Armen eines anderen fand.
Die Wirklichkeit wollte es genau so schlimm. Raimund verliebte sich 1819 in Antonie Wagner, die Tochter eines Kaffeehausbesitzers in der Leopoldstadt. Ihr Vater war jedoch von dem Beruf des Schauspielers wenig begeistert und untersagte die Heirat.
Das war mit ein Grund, warum es Luise Gleich, mit Hilfe ihres Vaters, der für diese Verbindung Stimmung machte, gelang, Raimund einzufangen. Die Ehe hielt aber nur ein Jahr lang, weil Luise ihm ganz offen untreu war.
Raimund zog später dennoch mit Antonie Wagner in wilder Ehe zusammen, konnte aber auch da nicht ganz glücklich werden; vielleicht weil seine kleinbürgerliche Frau ihm doch wegen des "Klassenunterschieds" das Leben vergrämte. Raimunds Texte sagen viel über diese Problematik aus. Erst heißt es: "Denn alles Glück.....ist doch nur Phantasie", um später im Hobellied modifiziert zu werden. Raimund versucht, sich anzupassen, sich in sein Schicksal zu finden: "Doch wird man nur ein bißerl alt, da findt man sich schon drein". Gleich darauf gibt er ein Beispiel: "Oft zankt mein Weib mit mir"...."und denk: du brummst mir gut".
Kein Wunder also, daß Raimund selbst an seiner Zulänglichkeit zweifelte, obwohl er dazu wirklich keinen Grund hatte. Als Schauspieler war er schon gefeiert, jetzt begann er auch als Dramatiker an Gewicht zu gewinnen.
Freilich, möglicherweise ist es auch hier mangelndes Selbstvertrauen, das Raimund erst als 33jährigen zur Feder greifen ließ - und auch dazu kam es nur durch Zufall. Jeder fest engagierte Schauspieler hatte pro Jahr einen Abend, an dem ihm der gesamte Kassenertrag zufiel. Das brachte natürlich die besten Erfolge, wenn man ein neues Stück vorstellen konnte. Im Jahr 1823 hatte Raimund für seinen Benefiz-Abend ein Stück bei Karl Meisl bestellt, aber der ließ ihn sitzen. Deshalb schrieb Raimund selbst "Der Barometermacher auf der Zauberinsel" und im Jahr darauf "Der Diamant des Geisterkönigs" für seine Benefiz-Vorstellungen. Und mit dem dritten Stück, "Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär" gelang Raimund 1826 der große Durchbruch als Schriftsteller.
Dies, zusammen mit seinem Schauspieltalent, dürfte Raimund genügend materielle Sicherheit eingebracht haben. Er konnte es sich leisten, in Gutenstein ein Haus zu kaufen, wohin er sich oft in seinen Krisenperioden zurückzog. Aber Raimund wurde nie zum Verehrer Mammons, da "das Glück ist doch nicht in der Welt mit Reichtum nur im Bund", bzw. "Jugend kauft man nicht ums Geld".
Obwohl er also als Schriftsteller Erfolg hatte, stand er auch in dieser Beziehung nicht auf bestem Fuß mit Frau Fortuna, oder bildete es sich wenigstens ein. An Bildung Grillparzer unterlegen, an Volkstümlichkeit und schnellem Witz Nestroy, befand sich Raimund wieder im Niemandsland, was seinem Ego nicht sehr zuträglich sein konnte. Er arbeitete hart mit seiner Lebenseinstellung, was nicht zuletzt "Der Alpenkönig und der Menschenfeind" zum Ausdruck bringt. Raimund wurde zwar selbst nie zum Menschenfeind, dazu meinte er es der Menschheit zu gut, aber er verstand sich nicht auf die Welt. Zu schnell bewegten sich die Räder des Schicksals, zu oberflächlich wurden die echten Werte von den Menschen behandelt, um sich in der Gesellschaft wohlfühlen zu können. Er hatte keine sozialen Schwierigkeiten, aber intellektuell überlegen, fühlte er sich von seiner Umgebung oft unverstanden.
Vielleicht ist die Flucht aus der Wirklichkeit sogar schon im "Verschwender", zwei Jahre vor seinem Tod, im Hobellied beschrieben: "Da leg ich meinen Hobel hin und sag der Welt: Adje." Mehr braucht es nicht, mehr ist die Welt nicht wert. Daß die Angst vor der Tollwut den Ausschlag gab, war vielleicht wieder nur eine Fügung des Schicksals - und wer weiß, welche Angst größer war: die vor der eigenen Krankheit, oder die Angst, anderen Menschen gefährlich zu werden....
Man mag über Raimund denken wie man will, auf jeden Fall ist er ein wichtiges Stück österreichischer Kultur geworden.
© Bernhard Kauntz, 1996
Auszüge aus seinen Werken:
Das Hobellied aus "Der Verschwender"
Brüderlein fein aus "Der Bauer als Millionär"
Aschenlied aus "Der Bauer als Millionär"
Das Lied der Phantasie aus "Die gefesselte Phantasie"
Lied über die Erkenntnis aus "Der Alpenkönig und der Menschenfeind"
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