Die liebe Verwandtschaft
Es ist ein Gfrett mit der Verwandtschaft. Ach so, Gfrett ist österreichisch und bedeutet Plage, beziehungsweise ein Leben mit Hindernissen. Man denke doch nur an die beliebte Schwiegermutter, die in den nordischen Sprachen als "svärmo(de)r" bezeichnet wird. Dass das Verb "svära" dabei auf Deutsch "fluchen" heißt, ist wohl purer Zufall.
Jetzt, da alle gelacht haben, kann ich aber zugeben, dass es wirklich Zufall ist. Das heute ausgestorbene Wort "Schwäher" bezeichnete den Schwiegervater. Es stammt aus dem Althochdeutschen (also vor langer Zeit, etwa 1500 Jahren) und hieß dort "swëhur". Analog dazu gab es noch früher eine weibliche Form, nämlich "swekrũ", das eben das weibliche Gegenstück des Schwiegervaters war. Das kann man sogar bis in das Sanskrit zurückverfolgen (Sanskrit ist die alte Sprache des Hinduismus in Indien, etwa 1200 v.Chr., das sich aber ebenfalls aus dem Indoeuropäischen herausgebildet hat. Deshalb heißt es ja auch Indo - europäisch.) Im Sanskrit hieß die Schwiegermutter also çvaçrũ. Hinzuzufügen wäre außerdem, dass die gute Frau noch im Mittelhochdeutschen (etwa vor dem Jahr 1500) nur als "swiger" bezeichnet wurde. Erst das Neuhochdeutsche setzte die Mutter dazu, sodass da erst die Schwiegermutter entstand.
Schließlich hat auch der Schwager "swêkros" und sogar die "swésôr", die Schwester, denselben Stamm im Urgermanischen (aus der Zeit kurz vor Christi Geburt).
Und, um vollständig zu bleiben, kommt das schwedische "svära" von "swerien", das sich auf Deutsch zu "schwören" entwickelt hat, was auch die ursprüngliche nordische Bedeutung war. Daraus lernen wir, dass man in Beziehung auf Schwiegermütter keine voreiligen Schlüsse ziehen darf ...
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Auch sollte man den nordischen Sprachen ein wenig Hochachtung entgegenbringen, denn sie haben einen weit ausführlicheren Wortschatz zur Verwandtschaft behalten. Während wir nur Großvater und Großmutter kennen, haben die Schweden - die hier für alle nordischen Sprachen stehen sollen - für alle vier Großeltern eine eigene Bezeichnung. Da gibt es sowohl den "farfar" (Vatervater), wie auch den "morfar" (Muttervater) und natürlich für die Großmutter "farmor" beziehungsweise "mormor". Es geht aber noch weiter. In der Generation davor gibt es ja ganze acht Familienmitglieder und der Vater der Vatervaters heißt eben "farfarsfar". Und die morfarsmor ist dann die Mutter des Vaters der eigenen Mutter. Man kann dieses Spiel weitermachen bis zur nächsten Generation, allerdings habe ich in meinem Leben nur vom "farfarsfarfar" gehört, also dem Großvater des Großvaters auf männlicher Seite.
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Nun gilt das natürlich nicht nur den Großeltern, auch wenn man die Glieder der anderen Ketten nicht so lang machen kann. Aber die "brorsdotter" ist die Nichte, die Tochter des Bruders - zum Unterschied von der "systerdotter", die ja auch eine Nichte ist, allerdings die Tochter der Schwester. Wer der "sonson" beziehungsweise der "dotterson" sind, sollten Sie jetzt schon selbst herausfinden können.
Schließlich gibt es noch die Onkeln und Tanten, bei denen das Spielchen genauso geht. Der Bruder des Vaters ist der "farbror", der der Mutter aber natürlich der "morbror". Bei den Tanten ist es ebenso eine "faster" (zusammengezogen von farsyster), wie auch eine "moster".
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Früher war das Deutsche ebenfalls ein wenig vielfältiger. Wissen Sie, wer eine Schnur ist? Ganz richtig, "wer" und nicht "was". Die Schnur ist ein altes indoeuropäisches Wort, "snusã", das sich sowohl im Sanskrit, sowie in alten slawischen und germanischen Sprachen belegen lässt. Nun, ja, ich komme schon zum Thema zurück. Die snusã oder Schnur war die Sohnfrau, also die Schwiegertochter.
Noch zwei Worte, die im Deutschen im Begriff sind, zu verschwinden, sind der "Oheim" und die "Muhme". Sie werden meistens noch verstanden, aber kaum mehr gebraucht. Auch hier sehen wir, dass man früher, den nordischen Sprachen ähnlich, genauere Bezeichnungen für die Verwandtschaft hatte.
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Der Oheim ist nämlich eigentlich ein Bruder der Mutter. Unser heutiger Onkel ist ein Lehnwort aus dem Französischen, das im 17. Jahrhundert eingewandert ist. Die Muhme ist auch eine Verwandte der Mutter, hauptsächlich die "Mutterschwester", aber die Bezeichnung stand auch für andere weibliche Verwandte. Die Verwandten des Vaters waren Vettern (siehe die Wortgleichheit), ein Wort das heute eigentlich nur noch für den - auch französischen - Cousin verwendet wird. Allerdings bezeichnet das Flämische in Belgien heute noch alle möglichen männlichen Verwandten als "Vetter".
Raucht Ihnen jetzt der Kopf? Kein Wunder, aber ich sagte ja schon eingangs, dass es ein "Gfrett" ist, mit den Verwandten.
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