DAS SCHLOSS GRIMSTHORPE



Die Nordfront durch das schmiedeeiserne Tor gesehen
Die Faszination, ein neues Schloss zu besuchen, liegt nicht nur darin, die ausgestellten Gegenstände, wie Möbel, Statuen und Gemälde zu betrachten und die Architektur zu bewundern. Es ist vielmehr auch eine großartige Gelegenheit, mehr über Geschichte zu lernen.
So werden wir hier in die Zeit von Heinrich VIII versetzt, als dieser im Jahr 1516 den Herrensitz von Grimsthorpe William Willoughby zusicherte. Das war ein Hochzeitsgeschenk, als William, elfter Baron von Willoughby de Eresby, Maria de Salinas heiratete, die eine Hofdame der Königin Katharina von Aragon war.

Das weit ausgedehnte Parkgelände englischer Anwesen gibt es auch hier
Das Erbrecht der Willoughbys umfasste auch weibliche Nachkommen, was schon zehn Jahre später zur Geltung kommen sollte, als William starb und nur eine siebenjährige Tochter hinterließ. Diese, Katharine genannt, wurde in ihrem zarten Alter 12. Baronesse und Besitzerin des Anwesens und bekam daher einen Vormund. Das wurde ein gewisser Charles Brandon, Herzog von Suffolk, der mit der Schwester des Königs, der Witwe des französischen Königs Ludwig XII, Mary verheiratet war. Er hatte vor, seinen Schützling mit seinem Sohn, dem Grafen von Lincoln zu verheiraten.

Die Aussicht nach Südwesten
Jedoch als dieser kränkelte und Charles Gemahlin 1633 starb, heiratete der 49jährige Vormund sein 14jähriges Mündel selbst. Als der König verkündete, dass er Lincolnshire besuchen wollte, ließ Charles Brandon das Haus ausbauen, sodass es den ganzen Königshof aufnehmen konnte. Am Morgen des 8. August 1641 besuchte Heinrich VIII Grimsthorpe und auf seiner Rückreise blieb er sogar über eine Nacht.
Katherine heiratete 1553 Richard Bertie, nachdem ihr Mann und die beiden Söhne, die sie mit ihm gehabt hatte, gestorben waren. Auf Heinrich VIII folgte seine Tochter, Mary Tudor, auf dem Thron.

Auch die Gartenanlagen imponieren
Sie wollte das Land wieder zum Katholizismus zurückführen. Unter anderen wurde Katherine, als Anhängerin der reformierten Kirche, eine Zeit im Tower gefangen gehalten, konnte dann aber mit ihrem Gatten nach Frankreich fliehen. 1578 überließ Katherine Grimsthorpe ihrem Sohn Peregrine.
Der nächste Königsbesuch fand 1630 statt, als Charles I auf dem Weg zu seiner Krönung in Edinburgh war. Der 16. Baron Willoughby, Robert Bertie, hatte durch zwei gute Heiraten Geld genug bekommen, um die Nordfront des Schlosses in klassizistischem Stil umbauen zu lassen.

Die getrimmten Formen der Büsche zeigen unerwartete Figuren
Seine dritte Gattin, Elisabeth Pope, ließ um 1685 die Gärten neu anlegen. Die neue Form der Hauptfront wurde aber nur knappe 50 Jahre beibehalten, denn schon der Sohn Robert Berties, mit demselben Namen, ließ einen neuerlichen Umbau ausführen. Er war der 17. Baron Willoughby und der erste Herzog von Ancaster und Kesteven.
Die Ecktürme wurden nun in ihrem Aussehen dem südöstlichen Turm angepasst, der den ältesten Teil des Schlosses verkörpert und schon anfangs des 13. Jahrhunderts gebaut wurde. Der Rest der Hauptfront erhielt gleichzeitig, um 1725, sein heutiges Aussehen.

Das Wahrzeichen der Willoughby de Eresby
Die Statuen über den Doppelpfeilern zeigen links den Kampf zwischen Herakles und Antaeus, beziehungsweise rechts den Raub der Persephone durch Hades. In der Mitte befindet sich das große Wappenschild, flankiert von einem Mönch und einem wilden Mann. Dieses Motiv gibt es auch über dem schmiedeeisernen Eingangstor, sowie an verschiedenen Stellen im Haus.
Architekt dieses Umbaus war John Vanbrugh. Ursprünglich sollte er auch die anderen drei Seiten des Schlosses neu gestalten, aber nur die Nordfront wurde schließlich verändert. Daher sieht die Südfront ein bisschen "ungehobelt" aus, weil man dort noch die einzelnen Anbauten aus verschiedenen Zeiten ausmachen kann.
In der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden zum Teil auch die Innenräume des Schlosses verändert und auch die Gärten bekamen wieder ein neues Aussehen. 1751 wurde außerdem ein Gemüsegarten angelegt.
Priscilla Bertie wurde die 21. Baronesse Willoughby gegen Ende des 18. Jahrhunderts und erbte im Jahr 1809 den Besitz Grimsthorpe.

Die Südfront des Schlosses
Nun war die Vanbrugh-Fassade aber aus der Mode gekommen und man überwog, sie abzureißen und die Nordwand statt dessen im neugotischen Stil zu errichten, um den ältesten Teilen des Gebäudes gerecht zu werden. Schließlich beschloss die Baronesse aber, dass man das ganze Gebäude restaurieren solle, mit kleineren Veränderungen an der Ost- und der Westseite des Schlosses. Gleichzeitig verlor das Schloss dadurch aber viel von seinem Charakter aus der Tudor-Zeit.
Priscilla hatte Peter Burell, Baron Gwydir, geheiratet - daher wurde ihr Sohn, Peter Robert Burell, der 22. Baron Willoughby.

Der Gemüsegarten
Die Baronesse hatte aber in ihrem Testament verfügt, dass die Einrichtung des Hauses, mit Ausnahme der Familienporträts, verkauft werden sollte und der Erlös mit Peter Roberts Schwestern geteilt werden solle. Hierbei verschwanden viele wichtige, historische Möbel in alle Richtungen.
Zwischen 1870 und 1910 diente Grimsthorpe höchstens als Sommerhäuschen, bis der 26. Baron Willoughby, Gilbert Heathcote-Drummond-Willoughby das Schloss modernisieren ließ. Er ließ Badezimmer, Elektrizität und eine bessere Zentralheizung einbauen, sowie im Oberstock Schlafzimmer einrichten, sodass man an den Wochenenden Parties geben konnte. Auch der Rosengarten wurde angelegt und der Gemüsegarten vergrößert.
Im Zweiten Weltkrieg nahm die Armee das Gut in Beschlag - es entstanden aber glücklicherweise keine größeren Verluste. Trotzdem mussten Gilbert James, der 27. Baron Willoughby und seine Gattin, Phyllis Astor, das Schloss nach dem Krieg neuerlich restaurieren.

Einer von Peregrine Berties Sessel
Gilbert James und seine Tochter, die heutige, 28. Baronesse de Willoughby de Eresby schufen 1978 eine gemeinnützige Stiftung, um den Erhalt von Grimsthorpe auch in Zukunft zu gewährleisten.

Beim Eintritt in das Schloss stellt man fest, dass nicht fotografiert werden darf. Wie lächerlich eine solche Bestimmung ist, habe ich schon anderswo besprochen.
Man kommt zunächst in die monumentale Halle, Vanbrugh Halle genannt. Sie ist in zweistöckige Arkaden gegliedert, die auf der Nordseite als Fenster verglast sind. An der gegenüberliegenden Wand sind es falsche Arkaden, in die Statuen von englischen Königen gemalt worden sind. An den Seitenwänden stehen in der oberen Reihe Büsten, während sich unten Durchgänge zu den Stiegenhäusern befinden. Der Raum ist im Prinzip leer, nur an den Wänden stehen Sessel aus der Zeit von Peregrine Bertie (etwa 1700), die ebenfalls mit dem Familienmotiv bemalt sind. Dieser großartige Raum wurde zuerst als Spielzimmer und später als hauptsächliches Aufenthaltszimmer benützt.


Die Tafel im Speisesaal
Über die östliche Stiege kommt man in den Speisesaal. Die Wände sind hier mit großen Bildern und flämischen Wandteppichen aus dem 17. Jahrhundert geschmückt. Der Thronsessel wurde für die Jungfraurede von König George III im "House of Lords" (1761) hergestellt.

Die Wandteppiche sind mit mythologischen Themen bestickt

Ein Bild von König James I
Hiernach kommen wir in den Saal von König James. Dies ist James I, der in diesem Schloss übernachtet hat. Allerdings nicht in diesem Zimmer, denn das war früher ein Vorzimmer zum folgenden Salon. Dieses Zimmer hat vielmehr seinen Namen nach dem lebensgroßen Porträt des Königs, das an der Seitenwand hängt. Jakob, wie er auf Deutsch heißt, war ein Sohn von Maria Stuart und der erste König von England und Schottland. Weiters ist er dafür bekannt, dass er die Bibel übersetzen ließ - die King-James-Bibel ist heute noch ein Begriff in Großbritannien. Abgesehen vom Königsporträt zeichnet sich der Raum durch seine mit korinthischem Kapitell versehene Pilaster aus. Ein Pilaster ist eine falsche Säule, die flach aus der Wand heraustritt.
Danach geht es weiter zum großen Salon. Vom Kamin wird behauptet, dass er einer der elegantesten von ganz England ist. Die zwei viereckigen Gewebe, die vor dem Kamin auf Ständern hängen, hatten eine interessante Aufgabe. Wollte man nämlich nah am Feuer sitzen, um sich zu wärmen, bestand die Gefahr, dass die damals großzügig aufgetragene Schminke zerrann.
 
Der eleganteste Kamin von England
 
Die Ausstattung im großen Salon
 

Die Galerie im südlichen Korridor
Indem man aber den Stoff zwischen Gesicht und Feuer hielt, konnte man die Hitze ein wenig entschärfen. Die Wände sind vollbehängt mit diversen Porträts, darunter auch die Könige Karl I und Georg III. Eine weitere Kuriosität im Salon sind die an den Wänden angebrachten Verzierungen zwischen den Bildern. Sie bestehen ganz einfach aus vergoldetem Papiermache.
Der Gobelinsaal ist der letzte Raum im östlichen Teil des Schlosses. Die Wandteppiche stammen aus 1730 und wurden 1924 nach Grimsthorpe gebracht, als man in diesem Jahr Normanton Park abriss, einen der Familiensitze der Earls of Ancaster.
Der südliche Korridor ist eine Galerie, mit Familienbildern behängt und etlichen ausgesuchten Möbeln ausgestattet, von denen einige bis ins siebzehnte Jahrhundert zurückgehen. Es gibt auch einige Thronsessel, die dem Gang entlang ausgestellt sind und von diversen Oberhäuptern im House of Lords verwendet wurden. Unter anderen von Georg IV und Königin Victoria.
Ganz am Ende des Ganges steht noch ein Thron - auch dieser stammt von Georg IV.
 
Der Thron König Georg IV
 
Das Bett im gotischen Schlafzimmer
 

Ein anderes Schlafzimmer im Westkorridor
Er wurde vom König 1821 beim Krönungsbankett verwendet. (Wurde der Thron später nicht mehr gebraucht? Ganz schöne Verschwendung in dem Fall ...)
Dem Südkorridor folgt der im Westen, der ebenfalls als Galerie für Familieporträts dient und mit zum Teil antiken Möbeln gesäumt ist. Der Unterschied ist, dass der westliche Korridor zu vier verschiedenen Schlafzimmern führt. Oben im Bild sehen wir den gotischen Schlafsaal. Der Name stammt vom Baldachin des Bettes, auf dem mit Silberdraht das Emblem von König Georg IV gestickt ist. Dieses Baldachin hing allerdings früher über dem neulich erwähnten Thron des Königs. Die Bettdecke wurde von Peter Robert, dem 22. Baron Willoughby de Eresby ausgearbeitet. Sein Porträt hängt neben dem Bett, wie auch das seiner Mutter Priscilla, auf der anderen Seite.
Danach geht es über die Stiege wieder hinunter in das Erdgeschoß, am chinesischen Salon vorbei, bis man sich bei der großen Halle von Vanbrugh wiederfindet. Ein Blick in die Kapelle bildet den Abschluss der Führung. Hier ist das Glanzstück ein Originalbild der dreizehnteiligen Serie "Jakob und seine Söhne".
  Abgesehen vom Fotoverbot erreicht das Schloss einen hohen Grad an Sehenswürdigkeit, sodass sich auch ein Abstecher lohnt, wenn man nicht ganz in der Nähe ist.

copyright Bernhard Kauntz, Wolvertem 2011


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last update: 12.8.2011 by webmaster@werbeka.com