GESCHICHTE UND GESCHICHTEN
AUS DEM 18. JAHRHUNDERT

Kamen die Bourbonen unrechtmäßig auf den spanischen Thron?

Bevor Sie weiterlesen, gehen Sie doch bitte einen Augenblick zum Tod von Karl II, um etwas über die Vorgeschichte zu erfahren.

Ich habe bisher immer geglaubt, was uns die Geschichtsbücher erzählen, nämlich dass Karl II von Spanien sein Reich nicht an die Habsburger, sondern einem Enkel von Ludwig XIV, Philipp von Anjou, vererbte und so den Bourbonen auf den Thron verhalf.

Nun behaupten Rita Monaldi und Francesco P. Sorti in ihren Buch "Secretum", dass dem nicht so gewesen sei, sondern dass das Testament gefälscht worden war.
Tatsache ist, dass Karl II den damaligen Papst, Innocentius II, um Rat fragte, weil er zwar seinen Neffen Karl VI von Habsburg als Erben einsetzen wolle, von Frankreich aber großer Druck auf ihn ausgeübt werde, ja, dass man sogar mit Krieg drohe. Der Papst war allerdings in einem noch schlechteren Gesundheitszustand als König Karl - er starb sogar ein paar Monate früher. Dennoch behauptete Innocentius, dass er sich nicht in diese Angelengeheit mischen wolle und gab drei seiner Kardinälen - darunter seinem Staatssekretär Spada - den Auftrag, die Antwort zu verfassen. Diese drei waren aber Frankreich wohlgesinnt und sollen die Aussage des Papstes zugunsten von Philipp verfälscht haben.
Dadurch bereitete man in Spanien schon den Boden für die spätere Fälschung von Karls Testament. Dieser soll nämlich noch immer nicht überzeugt gewesen sein, sondern weiterhin seinen Neffen als Favoriten gehabt haben. Nach seinem Tod soll schließlich das falsche Testament veröffentlicht worden sein.

So weit, so gut - wenn nicht das Werk von Monaldi und Sorti in Romanform geschrieben wäre. "Ha", sagte ich, und werden Sie, lieber Leser, auch sagen, "eine solche Verschwörungstheorie passt gut in einem Roman, aber ohne dass auch nur ein Funken Wahrheit daran sein muss."
Nun haben die beiden Verfasser allerdings anschließend auf vierzig Seiten eine Dokumentation über jedes einzelne Faktum, das sie in ihrem Roman verwendet haben, beigefügt. Unter anderem gibt es da die Aussagen von zwei Grafologen, die die Unterschrift auf dem Testament für gefälscht halten. Es gibt verschwundene Dokumente in den Staatsarchiven in Rom, Madrid, Wien und Paris, die das Gegenteil beweisen könnten. Es gibt sogar eine Dokumentation über die namentlich genannten Nebenfiguren des Romans, zum Beispiel die Namen der Angestellten der in der Villa des Staatssekretärs, wo sich die meiste Handlung abspielt. Und letztlich wurde einer der drei Kardinäle - obwohl vorher krasser Außenseiter - zum neuen Papst, Clemens XI, gewählt.

Das gibt natürlich schon zu denken. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass die Geschichte vom Sieger neu geschrieben wurde. Dass es so geschickt getan wurde, dass es - besonders in dieser Zeit schon aus geografischen Gründen - sehr schwierig war, einen Gesamtüberblick über alle Fakten zu bekommen, erschwerte natürlich eine Aufklärung.
Nun spielt es heute vielleicht keine so große Rolle, ob es eine Fälschung war, oder nicht. Es ist jedoch wieder nur ein Beispiel dafür, wie man Tatsachen verschleiern, beziehungsweise einseitig beeinflussen kann. Das aber geschieht heute noch ...

Copyright Bernhard Kauntz, Wolvertem 2012


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