Wien 1., Stadtspaziergang (Teil 9)


Die letzte Stadtwanderung beginnen wir nicht am Stephansplatz, sondern am Ring bei der Oper. Eine Oper in Wien gab es seit dem 17. Jahrhundert, aber das heutige Haus wurde von Sicardsburg und van der Nüll erbaut und 1869 fertiggestellt. Weniger als zwei Monate vor Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Gebäude ausgebombt. Es geschah durch amerikanische Flugzeuge, die eigentlich eine Raffinerie in Floridsdorf treffen sollten ... Symptomatisch war die letzte Vorstellung im alten Gebäude die "Götterdämmerung".
Die Oper wurde mit nur wenigen Modernisierungen im alten Stil wieder aufgebaut und am 5. November 1955 mit Beethovens "Fidelio" eingeweiht. Diese Gelegenheit wurde auch zu einer der ersten Liveübertragungen im Fernsehen benützt. Großes Publikum brachte die Aktion aber nicht - es gab damals etwa 800 Fernseher in ganz Österreich! Heute dagegen kann man während einer Saison etwa 40 Aufführungen am Computer oder am Handy als Apps mit verfolgen.
Wenn wir rechter Hand die Oper entlang gehen und zur Rückseite kommen, finden wir dort eine ganz unscheinbare Tür, der nichtsdestoweniger viel Aufmerksamkeit zukommt. Es ist dies der Bühneneingang, wo alle Stars das Haus betreten - und wo sie, nach der Vorstellung, wieder herauskommen. Wenn Sie glauben, dass nur Popstars ihre "Groupies" haben, dann sollten Sie sich das Szenario einmal betrachten. Sie können das vom gegenüberliegenden Hotel Sacher tun, beziehungsweise vom dazugehörigen Café, während Sie ein Stück der weltberühmten Sachertorte genießen.
Eduard Sacher und Frau Anna hatten ein Delikatessengeschäft in der Kärtnerstraße. Als sie genug verdient hatten, bauten sie das Hotel Sacher, mit dem man viele Geschichten verbindet. Ein Skandälchen verursachte zum Beispiel Erzherzog Otto, als er, nur mit einem Säbel bekleidet, die Treppe herunterkam. Ein paar Tage vor seinem Tod in Mayerling aß Kronprinz Rudolf im Sacher. Sein handgeschriebenes Menü - was er speisen wollte - ist heute noch erhalten. Auch politische Größen versammelten sich hier, auf neutralem Grund sozusagen.
Alle hatten sie jedoch Respekt vor Frau Sacher, die, nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1892, zigarrenrauchend die Geschäfte weiterführte.
Vom Café Sacher blicken wir auch direkt auf den Albertinaplatz. Der Name kommt von der Albertina (dem Gebäude hinter der Reiterstatue) im Palais Albrecht, das an die frühere Augustinerbastei anliegt. Aber halt, das ist alles ein wenig verworren ... Die Augustinerbastei (mit den Nischen für die Skulpturen) hat ihren Namen von der nahen Augustinerkirche und ist noch ein Teil der alten Stadtmauer.
Die Albertina dahinter ist nach Herzog Albert von Sachsen-Teschen benannt, der hier den Grund zu einer der größten grafischen Sammlungen der Welt legte. Hier gibt es 65000 Zeichnungen und über eine Million grafischer Drucke. Im Todesjahr des Herzogs Albert, 1822, wurde der Zugang zu den Sammlungen öffentlich. Der einzige Vorbehalt war, dass die Besucher über eigene Schuhe verfügen mussten. Das allerdings schloss noch immer einen Teil der Bevölkerung aus.
Nach Alberts Tod fiel die Albertina samt Inhalt an Erzherzog Karl von Österreich-Teschen (der erste, der - 1809 in einer Schlacht bei Aspern - Napoleon besiegt hatte), samt in weiterer Folge an dessen Sohn Albrecht. Nach diesem Albrecht, der die Sammlungen weiter ergänzte, heißt das Haus Palais Albrecht. Die Reiterstatue ist übrigens ebenfalls ein Standbild des Herzogs Albrecht. Auch der Albrechtsbrunnen ist nach ihm benannt.
Der Brunnen wurde im Jahr 1869 von Kaiser Franz Joseph der Stadt Wien gestiftet. Er wird auch Donaubrunnen genannt, weil die personifizierte Donau neben dem Wassergott Neptunus sitzt. Die Figuren zu beiden Seiten des Brunnens stellen die wichtigsten Nebenflüsse der Donau dar.
Ob das moderne "Flugdach" oberhalb der Augustinerbastei zur Verschönerung beiträgt, überlasse ich dem Leser zur Beurteilung.
Wir gehen jetzt rechter Hand an der Augustinerbastei entlang, aber nur ein kleines Stück, dann sind wir nocheinmal rechter Hand beim Lobkowitzplatz angelangt.
Der Platz hieß bis vor etwa 300 Jahren Schweinemarkt, weil hier eben Schweine verkauft wurden. Es war auch eine der Hinrichtungsstätten in Wien. Bernardo Bellotto malte ein Bild von diesem Platz, wie er um 1760 ausgesehen hat. Was sofort ins Auge fällt, ist das Palais Lobkowitz, das noch immer so aussieht, wie damals. Das gilt aber nur der Fassade. Im Inneren befindet sich heute das Theatermuseum. Was kann das zu bieten haben? Ich bin neugierig genug und löse eine Eintrittskarte. Das Referat über das Theatermuseum finden Sie aus Platzgründen auf einer eigenen Seite.
Wir gehen zurück zur Ecke von wo wir gekommen sind und biegen dann rechts in die Augustinerstraße ein. Der Name der Straße stammt von den Augustinermönchen, die hier ihr Kloster unterhielten. Die dazugehörende Kirche, die Augustinerkirche, war eine der Hofkirchen der Habsburger. Hier, in der Herzgruft sind auch die Herzen vieler Familienmitglieder bestattet. Die Kirche ist heute völlig eingebaut zwischen der Hofburg und der Albertina. Ihren Eingang erreichen wir am Josefsplatz. Sie können über diesen Link mehr über die Augustinerkirche lesen.
Der Josefsplatz ist nach Kaiser Josef II benannt, der als Reiterstatue mitten auf dem Platz steht. Er ließ hier eine Mauer niederreißen und damit hat er diesen Platz erschaffen. Nicht zuletzt, um der Bevölkerung den Zutritt zur Bibliothek zu eröffnen, die man damals von hier aus erreichen konnte. Heute ist der Zugang vom Heldenplatz aus, von hier kommt man nur in den Prunksaal der Bibliothek, wobei das "nur" wirklich nicht abwertend zu werten ist.
Bevor wir weitergehen, werfen wir noch einen Blick auf das Tor des Palais Pallavicini mit den schönen Karyatiden.
Rechts davon befindet sich das Palais Pallfy, mit Renaissancefasade. Es stammt aus dem 16. Jahrhundert und sah Mozart als Sechsjährigen hier auftreten. Heute sieht es eher schäbig aus. Das Innere wird jedoch als Kulturzentrum verwendet und beherbergt das Phantastenmuseum, über welches Sie via den Link mehr lesen können.
Die Seite des Platzes rechts von der Bibliothek wird von der Winterreitschule der Lipizzaner und den Redoutensälen eingenommen. Das waren die Ballsäle Maria Theresias.
  Der Festsaal allein hat Platz für mehr als 1200 Gäste, man kann dort also eine rauschende Party veranstalten. Im Jahr 1992 brach hier ein verheerender Brand aus, was doppelt und dreifach gefährlich war, weil dieser ja auch auf die Bibliothek und die Pferdeställe übergreifen konnte.
Weil man ja die Pferde evakuieren musste, bat ein Stallbursche einen zufällig vorübergehenden Passanten, einen der Lipizzaner in den Volksgarten zu bringen und drückte ihm einfach die Zügel in die Hand. Andere Pferde fanden den nächtlichen Ausflug lustig und sprangen aus Übermut über diverse Parkbänke.
Aber zurück zu den Redoutensälen. Sie wurden seither neu renoviert und modernisert. Wenn Sie das nötige Kleingeld haben, können Sie sich jederzeit hier einmieten.
Wir verlassen jetzt aber den Josefsplatz und gehen weiter in Richtung Stallburg. In der Bräunerstraße rechter Hand sehe ich, dass es "den Elmayer" noch gibt. Schon in meiner Jugend war der Elmayer ein Begriff, nicht nur als Tanzschule (das auch, mit Schwerpunkt auf Wiener Walzer), sondern ganz allgemein als Benimmschule, wo man lernen konnte, wie man sich in der Sozietät betragen sollte.
Wir gehen aber geradeaus unter die Arkaden der Stallburg. Dieser Teil wurde im 16. Jahrhundert für Maximilian II errichtet, der jedoch nicht sehr oft oder lang hier gewohnt hat. Später wurde der Trakt als Stallburg verwendet. So sind die Lipizzaner der Spanischen Hofreitschule zu einer standesgemäßen Unterkunft gekommen. Auf dem Bild sehen sie unten links ein paar der Pferde beim Fenster hinausschauen. Das Bild zeigt den schönen Renaissancehof der Stallburg.
Die weißen Pferde mit ihren Künsten sind natürlich eine große Attraktion in Wien.
Deshalb ist es auch relativ schwierig (und teuer) Karten zu einer Vorstellung zu bekommen. Es gibt täglich auch mehrere Führungen durch die Räumlichkeiten und Ställe, die allerdings auch nicht gerade gratis sind. Für eine Familie mit zwei reitbegeisterten Töchtern legt sich so ein Besuch schon schwer auf das Budget. Das Bild links habe ich aus einem dort laufenden Werbevideo gestohlen.
Die Winterreitschule hat aber auch ein einschneidendes politisches Ereignis gesehen. Am 22. Juli 1948 versammelte sich hier der konstituierende Reichstag. Dies war die erste Sitzung eines österreichischen Parlaments.
Wir gehen noch ein paar Schritte vor und stehen dann wieder auf dem Michaelerplatz, wo sich der eigentliche Haupteingang zur Hofburg befindet. Heute kommen aber viele Menschen über den Ring auf den Heldenplatz vor der Neuen Burg, die sich mehr oder weniger als neues Zentrum der Hofburg etabliert hat. Auch wir benützen das Burgareal jetzt nur als Durchgang und kommen später über den Ring wieder zurück. Der Grund dafür ist einfach: wir haben Hunger. Und wenn man keine Zeit hat, um im Restaurant lang auf das Essen zu warten, gibt es schnellere Lösungen.
Natürlich gibt es auch in Wien alle diese neuzeitlichen Kioskausspeisungen mit Kepab oder Döner, Pizzaschnitten und so weiter, um von McDonalds ganz zu schweigen. Aber das sind alles Auswüchse, Nachahmungen, Epigonen des Original Wiener Würstelstandes. Eine aufgeschnittene, gebratene Wurst, ein Stück Brot und eine Dose Bier dazu gehören auch heute noch zum beliebten Schnellmittagessen der Wiener - seien es Parkarbeiter oder Rechtsanwälte, Studenten oder Rentner, die nicht länger als eine Viertelstunde für das Mittagessen aufbringen wollen. Für die Touristen gibt es dann auch alle anderen "modernen" Ausspeisungsstellen.
  Wir genießen jetzt "a Haße mit ana Sechzenahüsn", um uns für den kommenden Rundgang im Areal der Hofburg zu stärken. Ach so, Sie wollen wissen, was ein Wiener isst? Nun: "eine Heiße mit einer Sechzehnerhülse". Noch immer nicht? Die Heiße ist ein Stück Wurst, normalerweise Burenwurst, kann aber auch mit Käsekrainer, etcetera, ersetzt werden. Die Hülse zielt auf die Bierdose und die Zahl sechzehn auf den sechzehnten Wiener Gemeindebezirk, der Ottakring heißt - und das Bier von dort eben Ottakringer genannt wird. Wenn Sie also auf richtig "schönem" Deutsch bestellen wollen, sagen Sie: "Ein Stück Burenwurst und eine Dose Ottakringer." Das Brot brauchen Sie nicht zu bestellen, das wird automatisch mitgeliefert.

© Bernhard Kauntz, Västerås, Schweden, 2014


Zum


Zurück zu den   oder zum   vom  


Seite erstellt am 15.9.2014 by webmaster@werbeka.com